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Narben x Krebs
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Don, der verletzliche Polizist mit den schönen Narben

Dirk Rohde, der freundlichste Polizist in Köln, hat Kopf-Hals-Mund-Krebs überlebt und jetzt zwei Narben am Hals, die das bezeugen. Mit einer Flasche Flüssignahrung in der Hand und einem Zaubertrick auf Lager ist er heute Vorbild für andere Betroffene.

Dons neues Leben für andere 

Als Patient:innenbetreuer 

Aus Dankbarkeit, seine Fifty-Fifty-Krankheit überlebt zu haben, hat Don sich geschworen, andere in der gleichen Situation zu unterstützen.  

Geschworen, getan. Wenn er nicht als Polizist Köln sicherer macht, hilft er Patient:innen mit Kopf-Hals-Mund-Krebs, die sich frisch mit der Diagnose auseinandersetzen müssen. “Sie kontaktieren mich und ich bin da. Wir telefonieren, treffen uns, oder ich setze mich ans Krankenbett. Wir finden immer Wege miteinander zu kommunizieren.”  

Don kann mit ihnen auf Augenhöhe sprechen, weil er selbst die verschiedenen Stadien der Behandlung durchlaufen hat. Er kennt die Ängste, weiß, worauf es ankommt, und gibt dementsprechend haufenweise Tipps zur Bewältigung. Er ist nicht der einzige. In unserer Porträtserie „Sinneswandel“ sagen uns eine Reihe erprüfter Bewältigungsmeister:innen, wie sie auf verschiedenste Art mit Krebs umgegangen sind.

Don mit einer jungen Krebspatientin, die einen Polizeiteddy hält.
"Als Krebspatient:in braucht man jemanden, der einem Verständnis gegenüberbringt, wenn man sich ängstlich fühlt und aufgeben will", so Don. Daraus ergeben sich intensive Beziehungen, aus denen sich auch manchmal Freundschaften formen. (Foto: Privat)

Wie Don die Last verlädt

Darauf angesprochen wie er sich nach den Besuchen fühle, meint Don, dass es nicht immer einfach sei. „Da wo Krebs ist, wird auch gestorben. 50 Prozent der Leute schaffen es nicht und dann bin ich auch mal auf einer Beerdigung. Kinder sind besonders schwierig, weil das Leid der Angehörigen hinzu kommt.“ Damit müsse man lernen umzugehen. Zufällig haben wir eine ganze Serie dazu, wie du mit Tod, Sterben & Co. umgehen lernst.

Doch Don kennt diese psychische Belastung schon aus dem Job als Polizist. Er fängt an aufzuzählen welche Gräuel ihm während der Arbeit schon untergekommen sind. Wir ersparen euch diese unschöne Liste mal. „Da gibt es einiges, woran ich in schlaflosen Nächten knabbern kann.“ (Alle Insomniacs klicken bitte hier für Tipps gegen die Schlaflosigkeit) Bei solchen traumatischen Erlebnissen wendet er sich an den polizeilichen Seelsorger und an seine SAPs (Soziale Ansprechpartner – Polizeikolleg:innen, mit denen gemeinsam verarbeiten kann).

„Alles was du wegsteckst und ignorierst, holt dich irgendwann ein.“ Don weiß wohl, dass diese Regel das gesamte Leben umschließt.

Als Zauberkünstler 

Hat Don es mit Kindern zu tun, ähnelt seine Rolle eher der eines Klinikclowns. “Kinder mögen Polizisten noch. Ich zeige ihnen dann das Polizeimotorrad, schenke ihnen Wundertüten oder einen Polizeiteddy. Für die Kinder ist das etwas ganz Besonderes.” Aber wir wollen auf etwas ganz anderes hinaus – sein Instagram-Kanal ist nämlich voll mit Demonstrationen seiner Zauberkünste. 

“Ach, ich studiere im Vorhinein immer ein, zwei Zaubertricks ein. Vor Jahren bin ich auf ein Video von einem Arzt gestoßen, der einen Jungen mit einem Zaubertrick abgelenkt hat, damit der seine Spritze bekommt.” Seitdem kann Don Münzen verschwinden lassen, sie aus dem Mund wieder herausholen, aus Papier Geld machen, Dinge in Flammen aufgehen lassen, und, und, und. Abgesehen davon, dass er Kindern damit eine Freude bereitet, lenkt Dons Magie für einen kleinen Moment die Kinder von jeglicher Schwerfälligkeit ab. 

“Ich bringe das auch manchmal in Vorträgen und versuche das mit dem Thema zu verbinden, weil ich dann die Aufmerksamkeit sicher habe”. Wir fragen uns welche Vorträge er damit meint. Und sind erstaunt, als er meint, dass es um HPV geht. 

“Je eher man in der Lage ist, seine Krankheit und die Einschränkungen zu akzeptieren, desto leichter fällt der Umgang damit.”
Zenmeister Rohde, im Einklang mit dem Ist-Stand

Als HPV-Aufklärer 

Der Auslöser für Dons Krebseskapaden war HPV (Humane Papillomaviren) – eine Krankheit, die durch eine einfache Impfung heutzutage leicht verhindert werden könnte. “Leider wird die HPV-Impfung in Deutschland viel zu wenig angenommen, weil die Politik sich das nicht genug auf die Fahne schreibt. 8.000 Leute im Jahr bekommen von HPV hervorgerufenen Krebs. Die Hälfte davon stirbt.”  

Don findet, dass das deutlich zu viel ist, und hat sich deswegen einer Wanderausstellung angeschlossen, die Bewusstsein für HPV schaffen will. Wir finden das toll und fragen uns gleichzeitig immer noch, wie er das thematisch mit einem Zaubertrick verbindet. 

Don als Vortragender auf der Bühne vor einem Publikum.
Don bei einem HPV-Aufklärungsevent, bei dem er zeigt, welche Gefahren von diesen Viren ausgehen können. (Foto: Privat)

Menschgewordene Akzeptanz 

Spätestens als Don sagt, dass er auch noch eine Selbsthilfegruppe leitet, drängte sich die Frage auf, ob ihm das alles nicht manchmal zu viel wird. Seine Antwort zeigt, wie sehr er sich in die Pflicht nimmt: “Ich habe ein zweites Leben geschenkt bekommen. Jetzt liegt es an mir, etwas zurückzugeben, indem ich anderen ein Vorbild bin. Um im Alltag im Hier und Jetzt wieder anzukommen und dem Leben Lebensqualität zu geben und sich nicht hängen zu lassen.”   

Don hat seinen Wunsch schon erfüllt bekommen. Die 60-prozentige Chance, dass sein Krebs in den ersten fünf Jahren nicht wiederkommt, nutzt er bis dahin voll aus, um anderen in einer ähnlichen Situation zu helfen.  

Don in einer selbstsicheren Haltung.
Don geht sehr offen mit seiner Krankheit und den Einschränkungen um. Und auch, wenn es manchmal immer noch schwierig ist, von der Gesellschaft Akzeptanz für seine Schwerbehinderung zu bekommen, wird er immer besser darin, Ruhe zu bewahren. (Foto: Privat)

Dirk, der Don 

Auch, wenn wir bis heute nicht wirklich wissen, warum Dirk nun Don heißt, haben wir mittlerweile folgende Vermutung: Dirk hat sich auf ganz natürliche Art zu einem Don entwickelt, als er sein neues Leben akzeptiert und somit die Vorbildrolle angenommen hat, die er nun für alle anderen Krebspatient:innen mit einer Sehnsucht nach Normalität verkörpert. Ist doch logisch, oder?

Weiterführende Links:

Titelfoto: Nana – Recover your smile/Dirk Rohde

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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