7 min
Patient Advocate des Monats
7 min

Wie setzt du dich für bessere Behandlung in Europa ein, Carina?

Als ehemalige Krebspatientin kennt Carina Schneider die Herausforderungen des Überlebens. Heute will sie andere auf ihrem Weg unterstützen. Finde heraus, wie ihre persönliche Odyssee sie zu einer furchtlosen Verfechterin für Verbesserungen in der Kinderonkologie in ganz Europa gemacht hat.

Carina Schneider ist Geschäftsführerin von Childhood Cancer International Europe (CCI Europe), dem Europäischen Dachverband für Kinder-Krebs-Hilfe Organisationen. Zusammen mit ihrem Team verfolgt sie das Ziel, europaweit Verbesserungen in Bezug auf Krebsbehandlungen für Kinder und Jugendliche voranzutreiben.  

In die Welt der Kinderonkologie stolperte sie bereits mit 17 Jahren –über die Diagnose Knochenkrebs (Ewing Sarkom) im Schienbein. Nach dem Ende intensiver Behandlungen wurde sie statt zurück ins „Leben davor“ direkt ins „Leben danach“ katapultiert, wo einige Spätfolgenüberraschungen auf sie warteten. Darunter orthopädische Probleme, die weitere Operationen nach sich zogen,und emotionale Achterbahnfahrten 

Mit dem Motto „Ändere die Dinge, die du ändern kannst“ begann Carina ihren Weg als Mentorin für erkrankte Kinder und Jugendliche, und später als Patient:innen-Vertreterin. Heute sorgt sie mit ihrem Team auf Hochtouren für einen europaweit besseren Zugang zu Innovation, Früherkennung, Behandlung und Nachsorge im Bereich der Kinderonkologie.   

Wie will Carina ihre Pläne umsetzen und was ist ihr Antrieb? Das erfährst du im nachfolgenden Kurvenkratzer-Interview.  

Über die Serie

Wie setzen “Patient Advocates” sich für die Belange von Patient:innen ein? Im Rahmen unserer Serie „Mit uns statt über uns“ interviewen wir jeden Monat Patient:innenenvertreter:innen aus aller Welt über ihre Arbeit für Betroffene, ihren Einsatz für mehr Mitsprache – und darüber, was sie täglich anspornt, weiterzumachen.

Warum bist du Patient:innenvertreterin geworden?

Ich habe von meiner Familie schon früh die Einstellung mitbekommen, dass man die Dinge selbst in die Hand nehmen und ändern kann (und soll!), wenn man mit ihnen nicht zufrieden ist. Dazu kam nach meiner eigenen Krebserkrankung das starke Bedürfnis, etwas Gutes, Positives, Konstruktives aus diesem wirklich heftigen und einschneidenden Lebensabschnitt zu machen.  

So bin ich drei Jahre nach dem Ende meiner Behandlung – und nach einem kleinen Anstoß meiner Großmutter mit der österreichischen Kinder-Krebs-Hilfe und den Survivors Österreich in Kontakt gekommen.  

Die Survivors Österreich sind die Interessenvertretung für Menschen, die in ihrer Kindheit oder Jugend an Krebs erkrankt waren. Im Rahmen von „Survors-Treffen“ wird es ehemaligen Patient:innen ermöglicht, sich rasch und unkompliziert mit anderen „Survivors“ auszutauschen und an einem breiten Angebot an Aktivitäten teilnehmen zu können.

Damals boten die beiden Organisationen ein „Mentoring“-Programm an kinderonkologischen Stationen an. Dabei wurden aktuell erkrankte Kinder und Jugendliche durch speziell ausgebildete ehemalige Patient:innen, sogenannte Mentor:innen, begleitet und unterstützt. 

Durch diese Erfahrung und den Austausch mit anderen Survivors und das Kennenlernen von Spätfolgen, Nachsorge und „Survivors Guilt“, wurde mir klar, dass es viele Überlebende gibt, die ähnliche Erfahrungen, Probleme und Spätfolgen teilen.

Pa Des Monats Pexels Poranimm Athithawatthee
Beim Futtertransport der Ameisen gilt dasselbe wie beim Bewältigen des Lebensalltags nach einer schwerwiegenden Krankheit: Gemeinsam lassen sich Hürden leichter überwinden. Das konnte Carina bei den Survivors auch auf eigene Faust erfahren. (Foto: Pexels/Poranimm Athithawatthee)

Ich habe gesehen: So gut und vielversprechend die Behandlungsmethoden im Bereich Kinderkrebs heute auch sind der ganze Bereich „Survivorship, Quality of Survival und Nachsorge“ lässt noch viel zu wünschen übrig. Der Ärger und die Wut darüber, wie alleingelassen sich viele Survivors mit ihren Spätfolgen fühlen, hat mich dann schließlich zur Patient:innen-Vertreterin gemacht. Unterstützt durch andere Patient:innen-Vertreter:innen, von denen ich damals wie heute jeden Tag lerne 

Der “Survivors Guilt ist eine besondere Art von Schuldgefühlen, die bei Menschen auftreten, die eine lebensbedrohliche Situation überstanden haben. Die Betroffenen fühlen sich schuldig, weil sie überlebt haben, während andere starben. Manche glauben auch, sie hätten mehr tun können, um das Leben anderer zu retten. 

Auf der nächsten Seite erfährst du, wie Patient Advocacy auf EU-Ebene aussieht und was für Carina der beste Mix aus Eigenschaften ist, um das System zu verändern.

Über die Serie

Stell dir vor, du hast kein Wahlrecht. Du lebst zwar in einem modernen Staat, doch es gibt niemanden, der oder die deine Interessen vertritt. Sobald du bei Entscheidungen mitreden willst, heißt es: Sorry, das geht nicht. Du bist ja kein:e Expert:in.

So ähnlich könnte man den aktuellen Zustand der Patient:innenvertretung beschreiben. Okay, das Gesundheitssystem ist natürlich keine Diktatur. Tatsache ist aber, dass Patient:innen in vielen Ländern bei wesentlichen Entscheidungen kaum mitbestimmen können.

Genau darum geht es in “Mit uns statt über uns”. In unserer Serie machen wir erfahrbar, warum es dringend mehr anerkannte, professionelle Patient:innenvertretungen braucht. Wir greifen das Thema in aller Tiefe auf. Zeigen Beispiele, blicken in andere Länder, entlarven die Einwände, sprechen über Vorteile und schlagen vor, wie ein Paradigmenwechsel funktionieren könnte.

Mit  dieser Serie verbinden wir zwei Leidenschaften. Wir sind ein Magazin, arbeiten journalistisch und fühlen uns ausgewogener Berichterstattung verpflichtet. Wir sind aber auch Teil von euch, unserer Patient:innencommunity, und wollen mehr Mitsprache. Wir nehmen uns nichts Geringeres vor, als beides zu erreichen.

Jetzt teilen