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HPV-Impfung: Aufklärungsbedarf
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Mit Humor und Haltung gegen HPV

Kurt Otter ist Optiker, Vater, Sportler – und plötzlich Krebspatient. Ein Halsknödel entpuppt sich als HPV-induzierter Tumor. Im Gespräch erzählt er uns, wie er es schafft, mit Humor und Haltung durch die Therapie zu gehen und warum ihm die HPV-Impfung heute besonders am Herzen liegt.

Seite 2/2: Auf dieser Seite liest du, wie Kurt seinem eigenen “Jedi-Meister” begegnete und wie wichtig ihm das Thema „HPV-Impfung“ ist.

„Leider rot, leider rot“ 

Eine Bekannte hatte Kurt vor dem PET-CT (Positronen-Emissions-Tomographie) gewarnt – es könne sich anfühlen, als würde man sich anpinkeln. Er selbst fand es faszinierend: „Der ganze Körper wird durchleuchtet, da sieht man alles.“ In seiner Zunge leuchtete etwas auf – entfernt wurde es mit einem Laser.  

Auf die Frage, welche Farbe der Laser denn habe, sagte sein Arzt: „Leider rot, leider rot“ – also quasi ein „böses“ Lichtschwert im Star-Wars-Universum. Kurt muss lachen und nennt den Arzt fortan seinen „Jedi-Meister“. 

Yoda als Legofigur
Gibt es etwas Besseres als einen Arzt, der gleichzeitig dein Jedi-Meister ist? (Foto: Unsplash/Kelly Sikkema)

Kurts Knödel im Hals war eine Metastase – das Einzige, was bösartig war. Der eigentliche Primärtumor wurde nie gefunden. Das läuft auch unter dem Begriff „Cancer of Unknown Primary“ (CUP). Die Maximaldosis seiner Strahlentherapie sei geringer als bei anderen und er springe auch gut darauf an, erzählt er. Was für ein Glück. 

Es geht ja nicht nur darum, dass die Menschen noch älter werden, sondern dass sie gesund alt werden.
Kurt Otter

Warum die HPV-Impfung Leben retten kann 

Kurt hat zwei Kinder, Tobias (25) und Alicia (23). Beide haben die HPV-Impfung bekommen: „Das war mir immer wichtig“, sagt Kurt, der selbst nicht geimpft wurde. „Zu seiner Zeit“, in den 80er-Jahren, war das nie ein Thema: „Da ist noch fleißig im Fernsehstudio geraucht worden. Mittlerweile sind wir gesundheitspolitisch schon etwas weitergekommen.“  

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„Es gibt so viel Schönes im Leben. Jetzt fängt alles zu blühen an. Man muss einfach noch die guten Dinge sehen und sich darauf freuen.“ (Bild: Privat)

HPV – was du wissen solltest 

HPV steht für Humane Papillomviren. Die meisten Menschen kommen im Laufe ihres Lebens damit in Kontakt. Jap, oft ohne es zu merken. Die Viren werden hauptsächlich durch sexuellen Kontakt übertragen. Das geht aber auch ohne Geschlechtsverkehr, etwa durch Haut- oder Schleimhautkontakt. Deshalb ist HPV so verbreitet.  

Manche HPV-Typen können jedoch Krebs auslösen, etwa im Gebärmutterhals, im Mund-Rachen-Bereich, am After oder Penis. Die Impfung schützt zuverlässig vor den gefährlichsten Typen. Am wirksamsten ist sie allerdings vor dem ersten Sexualkontakt. 

In Österreich ist die Impfung bis zum 30. Lebensjahr und bis Ende des Jahres 2025 kostenlos – danach kostet sie 640 Euro. In Deutschland übernehmen gesetzliche und meist auch private Krankenkassen die Kosten der HPV-Impfung für Mädchen und Jungen zwischen 9 und 17 Jahren. Für über 18-Jährige kann die Impfung ebenfalls erstattet werden – allerdings auf freiwilliger Basis der Kassen. Die Nachfrage bei der eigenen Versicherung lohnt sich also.  

„Das sollte man sich nicht zweimal überlegen“, sagt Kurt und lacht: „Ich würde mir die Spritze selbst geben. Wenn ich mir die Therapie hätte ersparen können, wäre ich schon froh gewesen.“ Und deshalb appelliert er deutlich:

Liebe Leute, geht’s euch impfen und lasst eure Kinder impfen. Man erspart ihnen dadurch so einiges.
Kurt Otter

Dass HPV fast jede:r in sich trägt, sei kein Grund zur Panik – aber ein Grund für Prävention. „Die Impfung schützt davor, dass daraus Krebs wird. Und ich glaube, Gebärmutterhalskrebs ist auch nicht lustig.“ 

Aufklärung, nicht Meinung 

Kurts Blick auf die medizinische Welt ist von Neugier geprägt – und von Humor. Was ihn an der öffentlichen Diskussion um Impfungen und Co. jedoch stört, ist der Umgang mit Fakten: „So viele Leute haben eine Meinung zu etwas, von dem sie gar nichts wissen. Ich bin mir meiner Nischendummheiten sehr bewusst – und die sind wesentlich größer als meine Nischenbegabungen.“  

Er wünscht sich mehr Wissenschaftstreue in der Gesundheitspolitik, besonders bei der HPV-Impfung. Und einen einfacheren Zugang: „Niederschwellige Angebote wären ideal.“ 

Jede:r von uns wünscht sich doch, dass man, wenn man alt ist, auf den Berg raufläuft, wieder zurückläuft, mit dem Rad heimfährt, dann schlafen geht und nicht mehr aufwacht. Das ist der schönste Tod.
Kurt Otter

Lebensfreude und Realismus 

Sport ist Kurts Bewältigungsventil und spielt eine wichtige Rolle in seinem Leben. Er könne seine Sportarten aufgrund seiner Verletzungen aufzählen, meint er mit einem breiten Grinsen im Gesicht. „Bisher habe ich Judo gemacht, einen Hapkido-Kurs, Fußball, Eishockey und Inlinehockey, bin Skateboard und Snowboard gefahren und fahre regelmäßig Rennrad und Mountainbike. Achja, und ich golfe.”  

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Für Kurt ist Sport mehr als Bewegung – er ist Ventil und Antrieb zugleich. Besonders auf dem Mountainbike oder Rennrad dreht er regelmäßig richtig auf. (Foto: Privat)

Auch Passiv-Sport interessiert ihn. Heute um 14:00 steht für den Eishockey- und American-Footballfan ein wichtiges Spiel am Programm: die Grazer Giants gegen die Dragons. Das darf er nicht verpassen.

Kurt war also gesund. Seine Blutwerte: top. Der Knoten im Hals: plötzlich da. Und er ist schnell gewachsen. Gut, dass es mich erwischt hat, und nicht jemanden, der das nicht so gut verkraftet“ – meint er nicht zynisch, sondern empathisch.  

Sein Tipp für andere? Kein universeller Ratschlag, eher ein Wunsch: „Ich kann nur wünschen, dass man ein gutes soziales Umfeld hat, und Menschen, von denen man geliebt wird. Man sollte mit Personen mit einer Krebsdiagnose normal umgehen und nicht auf Distanz gehen. Wenn es dir schlecht geht, hilft es dir nicht, wenn dir jemand mit verweinten Augen und hängenden Mundwinkeln begegnet. Da freust du dich eher über ein Lächeln.“

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Titelbild: Privat 

Über die Serie

Stark sein? Runterschlucken? Das Schicksal ertragen? Wir von Kurvenkratzer bekommen latenten Brechreiz, wenn wir derartige Sprüche hören. Und warum flüstern wir, wenn wir über Krebs reden? Ja, Krebs ist in unserer Gesellschaft leider noch immer ein Tabu. Studien zufolge trifft aber jeden zweiten Menschen im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung. Krebs ist also alles andere als eine gesellschaftliche Nische.

In unseren Interviews sprechen wir mit Menschen, die Krebs am eigenen Leib erfahren haben oder nahe Betroffene sind. Wir reden mit ihnen über den Schock, den Schmerz, Hilfe zur Selbsthilfe, Humor und Sexualität, sowie darüber, wie es gelingt, Mut und Hoffnung zu finden. Damit möchten wir dich motivieren: Wenn du das Gefühl hast, über deine Erkrankung sprechen zu wollen, dann tu es. Du bist nicht allein.

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