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Wie Krebs deine Fruchtbarkeit beeinflusst
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Ich habe Krebs und einen Kinderwunsch – was nun?

Unser Guide zeigt dir klar und empathisch, was Krebs und Therapien mit deiner Fruchtbarkeit machen – und was du tun kannst, um die Chance auf ein eigenes Kind zu bewahren.

Egal, ob du gerade vor der Therapie stehst, mittendrin steckst, oder sie schon hinter dir hast, am Ende des Artikels wirst du wissen: 

  • Wie die einzelnen Krebsarten und -therapien deine Fruchtbarkeit beeinflussen, 
  • wie du checkst, ob Schwangerschaft noch geht 
  • und wie du vorbeugst, um den Kinderwunsch am Leben zu halten. 

Vielleicht wusstest du schon in jungen Jahren, dass du eines Tages Kinder haben möchtest. Und vielleicht war in deinem Kopf alles mega einfach: Erwachsen werden, Traumjob ergattern, Geld scheffeln, ein heimeliges Heim mit Regenbogen darüber, ein Partner oder eine Partnerin, dessen Augen “I’m the one” schreien – und schon wäre die Formel fürs Babymachen perfekt. 

Womit du nicht gerechnet hast? KRRRRREEEEEEBSBBBSBSBSB. AAAAAHHHHH!!faaaak@ad$jk%f. 

Auf einmal ist die Lebensplanung für den Eimer. Alles wird hinterfragt und vertagt – sogar der Kinderwunsch. Tausend Unsicherheitsfaktoren, und statt Kindern hast du jetzt nur noch Fragen. Gut, dass du jetzt hier bist. Wir verstehen dich – und können dir sogar ein paar deiner Fragen beantworten.

Welche Krebsarten beeinflussen deine Fruchtbarkeit?  

Babysoöckchen auf Wäscheleine
Krebsdiagnose = Kinderwunsch ade? Nicht zwingend! Je früher du dich informierst, desto besser kann die Therapie auf dich abgestimmt werden. (Foto: Unsplash/Christian Fickinger)

Wichtig: Erwähne deinen Kinderwunsch so früh wie möglich beim Arztgespräch – so kann er von Anfang an bei der Therapieplanung berücksichtigt werden!

Die Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit sind von Krebsart zu Krebsart sehr unterschiedlich – je nachdem wo der Tumor sitzt, welche Therapien nötig sind und wie alt du bist:

Gleich eine gute Nachricht zur häufigsten Krebsart bei Frauen: 

  • Brustoperation und Nachbestrahlung haben keinen Einfluss auf deine Fruchtbarkeit. 
  • Aber: Therapien zur Rezidivvermeidung (Vorbeugung eines Rückfalls) – wie Hormon-, Chemo- und Strahlentherapie – können die Fruchtbarkeit stark einschränken. Vor allem chemotherapeutische Medikamente. 

Möchtest du nicht nur trockene Theorie, sondern leibechte Erfahrungen von Frauen, die Schwangerschaft und Krebs durchgezogen haben? Dann lies hier über Janina, die mitten in ihrer Schwangerschaft, die Krebsdiagnose bekommen hat. 

Leider schnell erzählt: 

  • Standardbehandlung = Entfernung der Gebärmutter, und ohne Gebärmutter ist keine Schwangerschaft möglich. 
  • Die gute Nachricht: Gebärmutterkrebs tritt meist erst nach den Wechseljahren auf. 

Seltener, aber definitiv relevant für den Kinderwunsch. Wird auch Zervixkarzinom genannt und fast immer durch humane Papillomviren (HPV) verursacht. Wenn der Tumor früh erkannt wird, geht man in der Regel so vor: 

  • Trachelektomie (Teilentfernung des Gebärmutterhalses) 
  • Auch hier ist eine Schwangerschaft weiterhin möglich.
  • Aber: Ein schwächerer Gebärmutterhals bedeutet, dass das Risiko für Früh-/Fehlgeburten steigt. In diesem Fall erfolgt eine Geburt zumeist per Kaiserschnitt.  
  • Nach abgeschlossener Familienplanung wird oft die Gebärmutter entfernt, um sicherzugehen, dass der Krebs nicht wieder anklopft. 

Bei Krebsvorstufen/langjähriger HPV-Infektion oder unklaren Diagnosen: 

  • Konisation: Entfernung eines Gewebeteils. 
  • Hier besteht meist keine Einschränkung beim Kinderwunsch. 
  • Aber: Die resultierende Vernarbung kann den Geburtsverlauf beeinflussen. 
  • Tipp: Im Fall, dass du schwanger wirst, unbedingt Eingriffe im Mutterpass dokumentieren! So weiß das medizinische Personal Bescheid, bevor es zu Komplikationen kommt.

Kommen wir zu den Herren der Schöpfung. Die typische Vorgehensweise bei Hodenkrebs ist es zunächst, den betroffenen Hoden zu entfernen. 

  • Aber meistens nur einen, denn bei über 95% springt der Krebs nicht auf das andere Ei über.  
  • Schon vor der Diagnose ist die Spermienqualität und -produktion oft eingeschränkt. 
  • Fast immer: Chemotherapie zur Rückfallprävention. 

Zählt man die letzten beiden Punkte zusammen, ergibt das ein definitives Risiko für die Fruchtbarkeit. Deswegen sollte bei einem Kinderwunsch unbedingt vorher über das Spermieneinfrieren nachgedacht werden. Mehr erfährst du in unserem hodenlosen Ratgeberartikel.

Die Behandlung erfolgt durch Chemo- und/oder Strahlentherapie:  

  • Oft in der Hochdosisvariante, was ein großer Einschnitt in die Fruchtbarkeit bedeutet, weil Eierstöcke, Gebärmutter oder Hoden in Mitleidenschaft gezogen werden. Im Falle einer Schwangerschaft besteht also ein Risiko für Fehl- und Frühgeburten. 
  • Aber: Es gibt Einzelfälle, in denen trotzdem Schwangerschaften möglich waren. Hier ein inspirierender Erfahrungsbericht von Constanze, die nach Leukämie schwanger wurde.

Auch die dritthäufigste Krebsart in Deutschland kann zum ungewollten Verhütungsmittel werden. 

  • Operationen können Nervenbahnen verletzen und bei Männern zu Erektionsstörungen führen, während es bei Frauen zu Einschränkungen bei Durchblutung und Nervenversorgung der Gebärmutter kommen kann.
  • Eine zusätzliche Chemotherapie oder Bestrahlung verkompliziert die Sache weiter.

Etwa 8.000 Frauen pro Jahr erkranken in Deutschland an Eierstockkrebs – also eher selten, aber definitiv ein “Entfruchter”. 

  • Meist werden Eierstöcke, Gebärmutter und Lymphknoten entfernt. 
  • Aber: Wenn früh erkannt und wenn der Tumor nur auf eine Seite beschränkt ist, ist eine einseitige Entfernung eventuell möglich. Die Möglichkeit, Kinder zu bekommen, bleibt so bestehen.  
  • Spezialfall: Borderline-Tumoren (zwischen gutartig und bösartig) wie  Lymphknoten müssen nicht entfernt werden und bieten bessere Chancen auf eine spätere Schwangerschaft.

Schwanger mit Metastasen – geht das überhaupt? 

Kurz gesagt: selten empfohlen, aber nicht unmöglich. Die Angelegenheit ist jedoch komplex und höchstindividuell – medizinisch sowie emotional. Punkte, die du hier bedenken solltest: 

  • Viele Krebsbehandlungen sind während der Schwangerschaft nicht erlaubt. 
  • Schwangerschaft belastet den Körper – und das ist gerade bei geschwächtem Immunsystem kritisch. 
  • Verkürzte Lebenserwartung: Was bedeutet das für dich und dein Kind? 
Grafik Person mit Kinderwagen gelb auf blauem Untergrund
Krebs mit Metastasen – und trotzdem ein Kind? Selten empfohlen, aber nicht unmöglich. (Foto: Unsplash/Sandy Millar)

Wie beeinflussen die Krebstherapien meine Fruchtbarkeit? 

Krebstherapien können sich erheblich auf die Fruchtbarkeit auswirken. Dabei spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: die Krebsart, das Stadium der Erkrankung und die Eigenschaften des Tumors. Ebenso wichtig sind die Art und Dosis der eingesetzten Medikamente. Auch die individuelle Eizellreserve – die mit zunehmendem Alter natürlicherweise abnimmt – ist entscheidend. 

Chemotherapie 

Die Chemotherapie kann Leben retten – keine Frage. Aber sie hat auch Nebenwirkungen, die weit über Haarausfall und Übelkeit hinausgehen. Denn sie trifft nicht nur Krebszellen, sondern auch gesunde, sich schnell teilende Zellen wie Eizellen oder Spermien.  

Das kann die Fruchtbarkeit empfindlich stören. Allerdings wirkt nicht jede Chemotherapie im gleichen Maße auf die Fruchtbarkeit. Die Auswirkungen hängen von der Dosis, den verwendeten Wirkstoffen und der Anzahl der Therapiezyklen ab. 

Medikamente und ihre Tücken 

Einige Medikamente können besonders tückisch sein. Daher ist es wichtig, deine Ärzt:innen zu fragen, welche Zytostatika bei der Therapie verwendet werden und wie sie auf deinen Körper wirken.  

Ein Beispiel ist das häufig eingesetzte Cyclophosphamid. Es schädigt sowohl Eizellen als auch Spermien massiv, kann das Erbgut beeinträchtigen und eine vorzeitige Menopause auslösen. Während und bis zu zwölf Monate nach der Behandlung mit diesem Medikament solltest du außerdem keine Schwangerschaft anstreben 

Baba, Libido! 

Auch ohne das Thema Fruchtbarkeit wäre das Babymachen während der Chemotherapie schwer genug. Körperliche Erschöpfung, trockene Schleimhaut und erektile Dysfunktion während der Therapie machen intime Momente zusätzlich knifflig. Zum Glück wissen wir ganz genau, wie du deine Libido wieder in Schwung bekommst! 

Schwangerschaft während der Chemo? 

Die gute Nachricht: Ab dem zweiten Trimester ist eine Schwangerschaft meist sicher durchführbar – allerdings nur unter der Betreuung spezialisierter Ärzt:innen. Wichtig ist dabei, dir bewusst zu machen, dass jede Chemotherapie unterschiedlich wirkt. Deshalb solltest du mit deinen betreuenden Ärzt:innen und Partnern frühzeitig über mögliche Folgen sprechen – und falls möglich vorsorgen, bevor es losgeht.

Wassermelonen
Schwangerschaft und Chemo? Ab dem zweiten Trimester kann eine Behandlung in vielen Fällen durchgeführt werden, ohne die Entwicklung des Kindes zu beeinträchtigen. (Foto: Unsplash/Olga Finn)

Strahlentherapie 

Strahlen sind effektive Mittel zur Krebsbekämpfung, aber leider sind sie nicht immer streufrei. Besonders kritisch für die Fruchtbarkeit ist die Bestrahlung im Beckenbereich. Die Eierstöcke genauso wie die Gebärmutter reagieren nämlich sehr empfindlich, sodass bereits geringe Strahlendosen schädlich sein können.  

Es gibt jedoch eine Möglichkeit, dem entgegenzuwirken: Die Gebärmutter kann mitsamt der Eierstöcke chirurgisch aus dem Strahlenfeld verlagert werden, um sie vor Strahlenschäden zu schützen. Leider müssen dafür oft die Eileiter durchtrennt werden, was bedeutet, dass du dann nur noch durch künstliche Befruchtung schwanger werden kannst.

Antihormontherapie 

Die Antihormontherapie ist eine Standardbehandlung bei hormonabhängigem Brustkrebs. Sie senkt den Hormonspiegel und unterdrückt den natürlichen Zyklus, was zu künstlichen Wechseljahren führt und die Sache mit dem Kinderkriegen vorübergehend unmöglich macht.  

Nach dem Absetzen der Therapie ist dieser Zustand jedoch reversibel – der Zyklus kann zurückkehren, und damit wird auch eine Schwangerschaft wieder möglich. 

Mythen-Check

Nein, Kinder von Krebspatient:innen haben grundsätzlich kein höheres Risiko für Fehlbildungen oder eine Krebserkrankung – außer, der Krebs ist genetisch vererbbar.  

Der derzeitige Stand der Wissenschaft geht eher von einer “Alles oder Nichts”-Regel aus. Das heißt so viel wie: Bist du nach Krebs fähig, Kinder zu bekommen, sind deine Keimzellen okay. Im Endeffekt muss man aber auch zugeben, dass es schlicht noch nicht genug Studienmaterial zu diesem Thema gibt. 

Auf der nächsten Seite erfährst du, was du vor, während und nach der Therapie tun kannst, um deiner Fruchtbarkeit die bestmögliche Überlebenschance zu bieten. 

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