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Krebs und Schwangerschaft
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Wie frau eine Schwangerschaft mit Krebs durchzieht

Janina wollte schon immer ein Kind. Als sie dann die zwei Striche am positiven Schwangerschaftstest gesehen hat, ging der Traum in Erfüllung. Fünf Wochen später kam die Brustkrebsdiagnose und hat eines noch einmal verfestigt: Das Kind kommt, komme was wolle – auch wenn sie das alles allein durchziehen muss.  

Krebs Und Schwangerschaft Sinneswandel Janina

Normalität, nein danke!

Janina ist eine ganz normale Mama, aber was ist schon normal? Unsere Gesellschaft redet uns ein, in unserem Leben in eine ganz bestimmte Rolle zu schlüpfen. Sie sagt uns, wer wir sein sollen. Ja, sogar, wer wir sein müssen. Unser Leben soll in ganz bestimmten Bahnen verlaufen. Schon vor unserer Geburt ist unser Leben bestimmt. Nach der Geburt folgen die ersten Kindergeburtstage. Natürlich sind Mama und Papa immer für einen da. Mit sechs Jahren dann die Einschulung. Irgendwann folgen Beruf, Hochzeit und Kinder. Das natürlich ohne Krankheit, ohne Trauer und ohne Rückschläge. So zumindest das Klischee.

Dass das Leben oft ganz anders aussieht, wissen wir alle. Dennoch halten wir gerne an diesem Idealbild fest, zumindest gebe ich das für mich offen zu. Besonders wenn es um unseren Nachwuchs geht, haben wir feste Vorstellungen. Manche träumen vielleicht schon als kleines Kind davon, wie es ist, einmal selbst Mama oder Papa zu sein.

Janina gehört dazu. Und ihr Wunsch ist auch in Erfüllung gegangen. Gott – oder das fliegende Spaghettimonster – hatte jedoch andere Vorstellungen.

Hoffentlich werden mein Kind und ich ein Herz und eine Seele.
Janina

Der Boss ist das Baby

Janina schreibt mir. Vielleicht müssen wir unseren Interviewtermin verschieben. Das Baby hält nichts von fixen Terminen und lebt nach seinem eigenen Zeitplan. Gut, das kann man dem Baby natürlich nicht vorwerfen. Wenn es Hunger hat, hat es Hunger. Wenn es schlafen will, will es schlafen. Nach kurzem Hin und Her hat sich das Baby für zweiteres entschieden. Es schlummert sanft, während Janina und ich zum Reden beginnen. Würde es aufwachen, müssten wir unterbrechen. Kleiner Spoiler: Der Kleinen hat das Nickerchen gut gefallen und ich durfte Janina in all ihren Farben kennenlernen.

Wer sie ist, beschreibt sie kurz und bündig. Janina, 32 aus Mannheim. Leidenschaftliche Tänzerin im Tanzsportverein. Doch mit ihrer Geschichte kann man Seiten füllen. Es ist eine Geschichte, in der sich Freude und Trauer wie Mutter und Baby verhalten, weil sie ohne einander nicht existieren können. Wir wollen aber auch nicht zu dramatisch werden.

Die Reise ins absolute Chaos hat vor einem guten Jahr begonnen. Der Wunsch nach einem Kind war schon länger da. Am liebsten mit einem Partner, der zu ihr steht und mit dem sie das Glück teilen kann. Es kam dann doch etwas anders. Zwei Striche auf einem Schwangerschaftstest versetzten sie eines Tages in Schockstarre.

Das positive Resultat war zwar nicht ungewollt, aber auch nicht geplant. So vielschichtig das Leben sein kann, so vielschichtig waren auch Janinas Gefühle in diesem Moment. Ja, da war Schock. Gleichzeitig war da aber auch ein Gefühl der irrsinnigen Freude.

Mit den großen Gefühlen gingen auch große Wünsche einher. Jede hingebungsvolle Mutter kann das wohl ultimativ nachfühlen. Frau wünscht sich nur das Beste für den kleinen Zellhaufen, der in ihr heranwächst. Das Kind soll gesund sein. Am besten kann sie dem Kind alles bieten, was es sich wünscht. Auch ohne Vater.

Janinas Traum: Hoffentlich werden mein Kind und ich ein Herz und eine Seele.” Sie beschreibt das Kind als die Liebe ihres Lebens, die in ihr heranwächst. Am liebsten wird das Baby genauso wie Janina und bleibt verschont von den negativen Seiten des Lebens. Exakt fünf Wochen später wurden diese Sorgen allerdings von ganz anderen Problemen überschattet. Diagnose: Brustkrebs.

Janina kurz vor der ersten Chemo mit Maske im Krankenhaus.
Ein kleiner Throwback: Janina kurz vor der ersten Chemo. (Foto: Janina Gaisbauer)
Dieses Kind wird auf die Welt kommen, komme was wolle.
Janina

Schwangerschaft und Krebs: beide Tests positiv!

Der erste Gedanke, der Janina durch den Kopf ging, war: „Scheiße, was jetzt?” Und ja, ich kann mich dem nur anschließen mit: Scheiße, was jetzt? Der zweite Gedanke, der ihr gleich danach kam, war: „Und was passiert jetzt mit dem Baby?” Da die Schwangerschaft noch nicht weit fortgeschritten war, kam der Vorschlag des behandelten Arztes, über einen Schwangerschaftsabbruch nachzudenken.

Der Satz war noch nicht einmal ausgesprochen, da kam auch schon direkt ihre Antwort: Die Schwangerschaft wird fortgesetzt. „Dieses Kind wird auf die Welt kommen, komme was wolle.”

Druck, die Schwangerschaft beenden zu müssen, hat Janina nicht gespürt. Gott sei Dank, wie sie sagt. Der Gedanke stand im Raum, mehr nicht. Als sie dann bei einem Spezialisten war, wurde die Entscheidung auch nicht hinterfragt und gleich gehandelt. Der Tumor war aggressiv. Der OP-Termin in drei Tagen. Oftmals ist es so, dass die Chemo vor der OP durchgeführt wird. Bei Janina wurde das umgedreht, ohne großes Trara – auch, weil beide Behandlungsmöglichkeiten gleichwertige Therapieansätze sind.

Ab der 15. Woche startete dann die Chemotherapie, ganz klassisch. Die Tage vor der ersten Chemotherapie sind Janina besonders in Erinnerung geblieben. Klar hat sie viel zu dem Thema gelesen, viel mit den Ärzt:innen gesprochen, viel recherchiert. Doch eine gewisse Unsicherheit war trotzdem da. Wie wird die Chemo vertragen? Welche Nebenwirkungen werden eintreten? Wie wird das alles sein?

Bei einem Bestandteil war zusätzlich nicht ganz klar, ob er nicht eventuell die Chance auf einen Plazentaabgang vergrößern könnte. Die Ärzt:innen versuchten es mal vorsichtig. Und da zeigte sich, dass es selbst in den schwersten Situationen Sonnenseiten gibt: Janina hat die Chemo wunderbar vertragen. Keine Übelkeit, hin und wieder war sie vielleicht mal erschöpft.

Eine Woche nach Chemostart hat sie noch fröhlich auf der Hochzeit einer guten Freundin getanzt. „Ich habe mich lange nicht mehr so fit gefühlt, wie an diesem Tag”, erzählt sie. Bis zu ihrem Beschäftigungsverbot hat sie auch noch gearbeitet.

Auf der nächsten Seite erfährst du, was Janina am meisten geholfen hat und wie sie heute auf diese Zeit zurückblickt.

Über die Serie

Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.

Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.

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