Don, der verletzliche Polizist mit den schönen Narben
Dirk Rohde, der freundlichste Polizist in Köln, hat Kopf-Hals-Mund-Krebs überlebt und jetzt zwei Narben am Hals, die das bezeugen. Mit einer Flasche Flüssignahrung in der Hand und einem Zaubertrick auf Lager ist er heute Vorbild für andere Betroffene.
Don ist das spanische Äquivalent zu „Sir“ – ein Titel, der dir von der Gesellschaft verliehen wird, wenn du aufgrund deiner Leistungen höchsten Respekt verdienst. Wo und wann der gute Dirk diesen ehrwürdigen Spitznamen aufgegabelt hat, haben wir ihn nicht gefragt.
Was wir ihn aber gefragt haben: Wie man sich mit Disziplin und trotz Einschränkungen in einen erfüllenden Alltag zurückmausert, ein Vorbild für andere wird und sich und seine Narben akzeptieren lernt. Adelante! Auf geht’s!
Vom Regen in die Traufe
Don Rohde ist erfahrener Polizist. Dass er diesen Job überhaupt noch machen kann, ist das Resultat großer Willenskraft. Das Leben hat ihm anno 2015 nämlich einen fetten Strich durch die Rechnung gemacht.
Eigentlich wollte er ja bloß eine Zyste entfernen lassen. Stattdessen – Zyste sei Dank, flogen Krebszellen auf. Der Arzt entdeckte einen Lymphknoten, in den der Primärtumor schon hineingestreut hatte und „wurde mit dieser lebensbedrohlichen Diagnose alleingelassen”, so Don. Psychoonkologisch fragwürdig, finden wir.
Eine Woche später wurde Don vom Ohr bis zum Schlüsselbein aufgeschnitten. Ein Eingriff, der dann auch noch einen Tumor am Zungengrund offenlegte. Auch der kam raus.
Nach drei OPs, acht Wochen Radiochemotherapie, viel Übelkeit, höllischen Schmerzen und 15 Kilo Gewichtsverlust saß Don kraftlos im Rollstuhl. Er hatte die Kopf-Hals-Mund-Krebsprüfung bestanden – eine harte Prüfung, die nur jede:r Zweite überlebt. „Das war die härteste Zeit in meinem Leben“, schlussfolgert er. Als Willkommensgeschenk für sein neues Leben erhielt er zwei parallel verlaufende Narben am Hals. Wir geben zu, wir finden sie ziemlich ästhetisch.
Der Überlebenspreis
Die Chance, wieder als Polizist arbeiten zu können, stand laut den Ärzt:innen nicht gerade gut. Aber Don scheint seinen Job zu lieben und die Vorstellung wieder auf Streife gehen zu können diente fortan als Motivator, der ihm die nötige Disziplin einhauchte. Folgendes musste Don bewältigen:
Die Strahlentherapie im Verbund mit der OP hatten die Haut am Hals hauchdünn gemacht. Viel Muskulatur ist dadurch flöten gegangen. Für einen Motorradpolizisten ist das problematisch, da er ständig über die Schulter schauen muss.
Nach der OP stellte sich heraus, dass Dons Zunge die Hälfte ihrer Kraft verloren hatte, weil der Zungenmuskel nicht mehr mit Nervenimpulsen versorgt wurde. „Das merkst du beim Essen, Sprechen und Schlucken.“ Und wer würde schon einen Polizisten ernst nehmen, der verwaschen und langsam spricht?
Die nächste Seite birgt eine inspirierende Comeback-Geschichte. (Bonus: Dons Geheimrezept für einen magenfüllenden Smoothie).
Über die Serie
Jeder Mensch hat zwei Leben. Das zweite beginnt dann, wenn du realisierst, dass du nur ein Leben hast, und die Welt sich anders anfühlt. Durch den massiven Eingriff von Krebs & Co findet ein Sinneswandel statt. Falls dein Lebensweg bisher an Sinn vermissen ließ, wird das im Angesicht der Endlichkeit furchtbar klar.
Die Sinneswandel-Serie beschäftigt mit der Vielfalt an Bewältigungsstrategien, die Krebspatient:innen entwickeln, um mit all den weitreichenden Veränderungen umzugehen. Coping ist eine Kunst, und Kunst sensibilisiert die Sinne. Durch unsere Community wissen wir: Manche haben besonders kreative und authentische Ansätze gefunden. Sie haben inspirierende Geschichten gelebt, Prüfungen bestanden, schwere Entscheidungen getroffen – und wir entnehmen die Essenz dieser Lebenswege und gießen sie in tieftauchende Porträts.