„Wenn du überleben willst, musst du etwas essen.“
Veränderung ist nur dann möglich, wenn du bereit bist, ein Risiko einzugehen. Birgit Indra hatte den Mut dazu. Modedesignerin, Maßschneiderin, Store Managerin, Restaurantleiterin und jetzt Wanderköchin mit Herz. Wir haben mit der taffen Vöslauerin über heftig deftige Küche, das spezielle Kochen für Krebspatient*innen und Online-Kulinarik gesprochen.
Birgit Indra ist nach vielen Jahren in der Modebranche zu ihren Wurzeln zurückgekehrt. Die leidenschaftliche Köchin und dreifach Mama hat uns verraten, warum.
Birgit, du hast eine sehr interessante berufliche Laufbahn hinter dir. Was war denn der Auslöser, dass du gesagt hast: Ich gehe jetzt in eine ganz andere Richtung?
Ich war 20 Jahre selbstständige Maßschneiderin mit eigenem Label und sechs Angestellten und sieben Jahre parallel dazu Geschäftsleiterin von Gössl Wien. Es war toll, aber ich war kurz vor einem Burn-out. Ich gehe von Partys und Festen immer dann, wenn es am Schönsten ist. Das gehört zu meinem Wesen. Und das war auch mit meinem damaligen Business so. Es war nur noch Druck und funktionieren müssen, und das Wesentliche, nämlich die Kreativität und Freude an der Mode war komplett weg. Nach 27 Jahren war ich einfach leer. Ausgelutscht*, wie man das auf wienerisch so schön sagt.
Im Prinzip bin ich zu meinen Wurzeln zurückgekehrt. Ich habe als Jugendliche im Betrieb meiner Eltern kochen gelernt, die ein Weingut und einen „Gourmet Heurigen“, also eine Buschenschank hatten. Ich habe gute, österreichisch traditionelle, bürgerliche Küche gelernt. Die Liebe zum Kochen hat mich nie verlassen und ich hatte schon lange den Wunsch, als Köchin zu arbeiten. Es hat sich dann immer mehr herauskristallisiert, ich habe mich hineingestürzt in dieses Vorhaben und seit etwas mehr als einem Jahr bin ich jetzt Wanderköchin. Für manche ist der Wechsel von der Modedesignerin zur Köchin vielleicht komplett aus der Luft gegriffen, wenn man den Ursprung nicht kennt.
*„Ausgelutscht“ = österr. für ausgezehrt, kraftlos
Was genau machst du als Wanderköchin?
Ich bin keine Ernährungsberaterin, sondern es funktioniert genau umgekehrt. Nicht Ich sage den Krebspatient*innen was sie am besten essen sollen, sondern sie sagen mir, was sie glauben bei sich behalten zu können und das koche ich dann für sie. Zuerst habe ich es privat als Freundschaftsdienst gemacht und dann parallel zu meiner Selbstständigkeit als Wanderköchin als zweites Standbein aufgebaut. Ich habe einfach gemerkt, dass Bedarf da ist.
Du bist Angehörige und Freundin von Krebspatient*innen. Wolltest du schon länger für andere kochen oder kam das mit der Idee, für Krebspatient*innen zu kochen?
Nein, ich habe bereits parallel für eine Freundin begonnen zu kochen, die ganz schwer an Krebs erkrankt ist. Wie ich gehört habe, dass sie nichts mehr zu sich nehmen kann, pausenlos abnimmt und keine Energie mehr hat, hat sich ohne Vorkenntnisse dieser Zugang entwickelt, der mir ganz wichtig ist. Ich habe auch immer meine Kinder frisch bekocht. Das war eine Art für sie da zu sein und für sie zu sorgen. Das hat mir immer Freude bereitet: jeden Tag ein Start in den Tag mit einem Hobby von mir. Und ich habe das viele Jahre mit Liebe und Begeisterung gemacht.
Über die Serie
Stark sein? Runterschlucken? Das Schicksal ertragen? Wir von Kurvenkratzer bekommen latenten Brechreiz, wenn wir derartige Sprüche hören. Und warum flüstern wir, wenn wir über Krebs reden? Ja, Krebs ist in unserer Gesellschaft leider noch immer ein Tabu. Studien zufolge trifft aber jeden zweiten Menschen im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung. Krebs ist also alles andere als eine gesellschaftliche Nische.
In unseren Interviews sprechen wir mit Menschen, die Krebs am eigenen Leib erfahren haben oder nahe Betroffene sind. Wir reden mit ihnen über den Schock, den Schmerz, Hilfe zur Selbsthilfe, Humor und Sexualität, sowie darüber, wie es gelingt, Mut und Hoffnung zu finden. Damit möchten wir dich motivieren: Wenn du das Gefühl hast, über deine Erkrankung sprechen zu wollen, dann tu es. Du bist nicht allein.