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Experteninterview
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Gemeinsam gegen Glioblastom: Mit Information und Vernetzung zu mehr Verständnis

Ein Glioblastom scheint unheilvoll und mysteriös. Sogar in der Forschung zählt der aggressive Hirntumor zu den am wenigsten verstandenen Krebsarten. Im Experteninterview bringen Prof. Dr. Martin Glas (MG) und Prof. Dr. Frank Giordano (FG) ein wenig Licht ins Dunkel und sprechen u.a. über Fortschritte in der Therapie und ihre Info-Kampagne „Gemeinsam gegen Glioblastom“.

Starten wir mit den Basics: Was genau ist ein Glioblastom?

MG: Das Glioblastom ist der bösartigste Hirntumor im Erwachsenenalter. Es gehört zu den sogenannten primären Hirntumoren. Das sind Tumore, die ihren Ursprung im zentralen Nervensystem haben und nicht, wie Hirnmetastasen, von außerhalb des Gehirns oder des Rückenmarks einwandern.

FG: Genauer gesagt ist das Glioblastom einer der bösartigsten Tumore, die wir in der Medizin überhaupt kennen. Dieser Tumor wächst ausschließlich im zentralen Nervensystem und bildet im Gegensatz zu anderen Tumorerkrankungen fast ausschließlich Tumore innerhalb des Gehirns.

 

Wie wird ein Glioblastom üblicherweise behandelt?

MG: Zur Behandlungsroutine des Glioblastoms gehören die Operation, die Strahlentherapie und die Chemotherapie mit Temozolomid. Darüber hinaus stehen seit einiger Zeit TTFields als zusätzliche Therapiemethode zur Verfügung. Diese elektrischen Wechselfelder werden in der Regel zusammen mit der Chemotherapie verabreicht. Bei einer Subgruppe von Patient*innen, deren Tumor möglicherweise besser auf eine sogenannte alkylierende Chemotherapie, wie beispielsweise Temozolomid, anspricht, kann nach neusten Datenerkenntnissen auch anstatt einer Monotherapie mit Temozolomid eine Kombinationschemotherapie mit CCNU (Lomustin) und Temozolomid versucht werden. CCNU (Lomustin) gehört ebenfalls zu den alkylierenden Chemotherapien und wird auch in Tablettenform verabreicht.

FG: Obwohl das nach vielen Therapieoptionen klingt, gehört das Glioblastom zu den Krebserkrankungen, die wir trotz intensiver Forschung noch am wenigsten verstehen. Neuere Analysemethoden erlauben uns mittlerweile aber, besser herauszufinden, ob und welche Chemotherapie sinnvoll sein kann.

 

Wie gestaltet sich das Leben von Glioblastom-Patient*innen infolge der Krankheit?

MG: Das ist ganz unterschiedlich. Erstes Ziel ist sicherlich, dass die Therapie gut vertragen wird. Das funktioniert in aller Regel recht gut. Die Patient*innen müssen keine große Angst vor der Strahlen- und der Chemotherapie haben. Natürlich vertragen nicht alle Patient*innen die Therapie gleich gut, aber dass man während der Therapie nur zuhause sein kann und sich überwiegend schlecht fühlt, sehen wir sehr selten. Sollte das der Fall sein, muss gemeinsam überlegt werden, ob man die Begleitmedikation optimieren kann.

FG: Wichtig ist, dass man möglichst viel von seinen Gewohnheiten und der täglichen Routine beibehält. Das heißt nicht zwingend, dass man zur Arbeit gehen sollte, was sicherlich nicht einfach ist. Damit ist eher gemeint, dass man sich nicht zurückzieht und versucht, so aktiv wie möglich zu bleiben. Ich bin davon überzeugt, dass das den meisten Patient*innen guttut. Sollte es gelingen, den Tumor effektiv zu bekämpfen und die Radiochemotherapie abzuschließen, dann finden lediglich alle zwei bis drei Monate Kontrolltermine mit MRT-Bildgebung des Kopfes statt. Das kann man den Patient*innen bei einer solchen Erkrankung leider nicht ganz ersparen, da das Glioblastom nach heutigem Stand leider noch nicht heilbar ist.

 

Welche Fortschritte wurden in den letzten Jahren für die Therapie von Glioblastom-Patient*innen erzielt?

FG: Wir haben sicherlich bei der Diagnostik und auch bei der Therapie große Fortschritte gemacht. Die Zwei-Jahres-Überlebensrate für Patient*innen mit einem Glioblastom hat sich in den letzten zwölf Jahren, unter gewissen Umständen und unter Berücksichtigung gewisser Paramater, deutlich verbessert. Zu nennen sind zunächst die Therapieerfolge, die wir in den positiven Studienergebnisse zweier randomisierter Phase III-Studien gesehen haben. Phase III-Studien sind klinische Studien, bei denen eine Therapie an einem größeren Patientenkollektiv erprobt wird, um zu sehen, ob sich die Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bestätigen lässt, meist im Vergleich zur dann aktuellen Standardtherapie. Beide Studien haben natürlich auch noch offen Fragen hinterlassen, die wir in Zukunft weiterbearbeiten müssen. Aber die Rate der Patient*innen, die mehrere Jahre mit einem Glioblastom überleben können, war in beiden Studien vielversprechend.

MG: Das sehe ich auch so. Bei der sogenannten CeTeG-Studie schaffte es fast jeder zweite Patient, vier Jahre oder länger zu überleben. Hier wurde bei besonders Chemotherapie-empfindlichen Patient*innen, also beim Nachweis eines methylierten MGMT-Promotors im Tumor, eine Kombinationschemotherapie aus CCNU und Temozolomid eingesetzt, zusätzlich zur Strahlentherapie und danach. Bei der EF-14 Studie konnte durch die Hinzunahme von TTFields zur unterstützenden Temozolomidtherapie ebenfalls das Überleben der Patient*innen signifikant verlängert werden. Auch bei der EF-14 Studie gab es einen beträchtlichen Anteil an Patient*innen, die fünf Jahre und länger mit einem Glioblastom überleben konnten. Ich denke, wir müssen nun versuchen, beide Therapiemodalitäten noch besser zu verstehen und weiter zu optimieren. Darüber hinaus sind als weitere Fortschritte aber auch die besseren bildgebenden Methoden zu nennen. Wir können beispielsweise durch den Einsatz eines FET-PETs, einer speziellen nuklearmedizinischen Methode, viel früher erkennen, ob die Therapie anspricht oder versagt. Große Sprünge nach vorne haben wir auch durch die bessere molekulare Diagnostik gemacht. Dabei schaut man zum Beispiel nach genetischen Veränderungen, die vorab möglicherweise Hinweise geben, welche Therapie am besten wirken könnte. Wir arbeiten sehr intensiv daran, unseren Patient*innen in Zukunft eine maßgeschneiderte Therapie anbieten zu können.

 

Welche Informationen über Glioblastome sind aus Ihrer Sicht bisher nicht ausreichend bekannt?

MG: All das aufzuzählen, was noch nicht ausreichend bekannt ist, würde jetzt den Rahmen sprengen. Es ist sicherlich zu wenig bekannt, dass wir auch bei so einer schlimmen Diagnose wie dem Glioblastom Fortschritte gemacht haben. Darüber hinaus werden die Patient*innen oft auch nicht ausreichend über neue Forschungsergebnisse, neue Therapie- und vor allem neue Studienmöglichkeiten aufgeklärt.

FG: Defizite bestehen sicherlich bei vielen Informationen rund um die Erkrankung: Themen wie Reha, Kostenübernahme der Krankenkassen oder Pflegestufen, aber auch Fragen wie „Welche Ärzt*innen brauche ich“, „Benötige ich psychoonkologische Beratung“ oder „Warum kann schon zu Beginn der Kontakt zur Palliativmedizin helfen“ sind nur einige Beispiele dafür, in welchen Bereichen noch mehr Informationsbedarf besteht.

 

Wo finden Glioblastom-Patient*innen und ihre Angehörige verlässliche Informationen?

FG: Das Wichtigste ist hier aus meiner Sicht, dass Patient*innen sich an ein spezialisiertes Zentrum wenden, da es sich um eine Erkrankung handelt, mit der man als Arzt oder Ärztin außerhalb dieser Zentren nur selten Erfahrungen sammelt. Wenn man dann selbst noch nach Informationen schauen möchte, dann ist natürlich das Internet eine sehr große – teilweise aber auch problematische – Informationsquelle, über die Prof. Glas sicher berichten kann.

MG: Ja, leider findet man im Netz viele ungefilterte und irreführende Informationen. Wir versuchen daher mit der Kampagne „Gemeinsam gegen Glioblastom“ eine weitere Hilfestellung für unsere Patient*innen zu bieten. Es gibt aber natürlich auch einige Selbsthilfegruppen, die als Anlaufstelle dienen. Neben den etablierten würde ich hier gerne Yeswecan!cer nennen, eine sehr innovative und authentische, digitale Selbsthilfegruppe, die wir ebenfalls unterstützen. Yeswecan!cer versucht Patient*innen und Angehörige aller Krebsarten zusammenzubringen, zu informieren und ihnen zur vermitteln „Du bist nicht allein!“.

 

Wo können sich Glioblastom-Patient*innen und ihre Angehörigen über ihre Erfahrung mit der Krankheit austauschen?

MG: Die Antwort fällt uns hier leicht: Besuchen Sie unsere virtuelle Veranstaltung für Patient*innen und ihre Angehörige am 17. und 18. Juli. Informationen dazu finden sich auf der Website von „Gemeinsam gegen Glioblastom“. Dort finden Betroffene auch Erfahrungsberichte anderer Betroffener, die ihre Geschichte mit uns geteilt haben, um zu zeigen, dass niemand mit der Krankheit Glioblastom allein umgehen muss. Darüber hinaus können sich Patient*innen und Angehörige auf der Facebook-Seite der Kampagne miteinander austauschen und vernetzen. Außerdem empfehle ich, wie gesagt, auch den Kontakt zu Yeswecan!cer oder den einschlägigen nationalen Selbsthilfegruppen.

Prof Dr Martin Glas
Prof Dr Martin Glas
Prof Dr Frank Giordano
Prof Dr Frank Giordano

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