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Carstens Psychoonkologie-Kolumne
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Carsten erzählt: Trauern, wenn Freund:innen gehen

Trauern gehört zum Leben – doch jeder Verlust trifft anders. Wie geht man damit um, wenn Freund:innen sterben? Unser Psychoonkologe Carsten teilt seine Erfahrungen und sagt, was wirklich hilft.

Carsten erzählt dir gleich:

  • Wie gemeinsame Rituale und Erinnerungen helfen, Trauer zu verarbeiten
  • Warum es heilt, offen über den Tod zu sprechen
  • Dass jeder Verlust anders ist und man in der Trauer auf die eigene Art fühlen darf

Das Thema Trauer ist gerade sehr präsent für mich, weil eine Freundin, die ich über ihre Krebserkrankung kennengelernt habe, vor kurzem verstorben ist. Es gab lange niemanden in meinem Umfeld, der palliativ erkrankt war und mir gleichzeitig so nahestand. 

Ich habe sie durch ihre letzten Monate begleitet – als Freund und jemand mit einer gewissen Erfahrung auf dem Gebiet der letzten Lebensphase. Mit ihrem Tod kam eine Zeit, in der ich nach wie vor viel nachdenke. Sicherlich trägt dazu bei, dass die nächste Nachsorgeuntersuchung am Horizont lauert und somit das Thema meiner eigenen Sterblichkeit wieder die Gedankengänge lenkt.  

In all dem Gefühlswirrwarr, das mit dem Tod von Nahestehenden kommt, während man selbst mit dem eigenen konfrontiert ist, stellt sich von ganz allein die Frage – wie kommt man mit dieser “Gleichzeitigkeit” klar? 

Totenkopf vor Spiegel als Polaroid
Die Gleichzeitigkeit beim Thema "Tod" ist oft nicht einfach zu bewältigen: Wie geht man einerseits mit dem dem Verlust geliebter Menschen UND der eigenen Vergänglichkeit andererseits um? (Foto: Pexels/Fotios)

Carstens Psychoonko-Kolumne  

Warum ist Carsten Psychoonkologe geworden? Grund war eine hautnahe Krebserfahrung, im zarten Alter von 24. Die Zeit war jedoch nicht nur schwer, sondern auch lehrreich. 14 Jahre nach seiner Diagnose ist er, trotz schlummernder Metastasen, das blühende Leben selbst, läuft Marathons und hilft mit seiner positiven Art und seinem ausschweifenden Wissen jungen wie alten Krebspatient:innen beim psychischen Waschgang.

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Wenn Abschied Raum schafft 

Ihr Tod war alles andere als plötzlich und die Verabschiedung somit sehr bewusst. Oft saßen wir stundenlang nebeneinander, ohne zu sprechen, sie mit dem Kopf auf meiner Schulter. Allein diese stille Präsenz war manchmal alles, was es gebraucht hat. Später im Hospiz habe ich ihre Hand gehalten, sie hat mich erkannt, gewunken und sich verabschiedet.  

Es ist mir aufgefallen, dass ich schon während der langen Phase vor ihrem Tod angefangen habe, zu trauern. Das kommt nicht von ungefähr. In meinem Umfeld gibt es immer wieder Menschen, bei denen klar ist, dass sie aufgrund ihrer fortgeschrittenen Krebserkrankung nicht mehr lange leben werden. Und so beginnt das Verabschieden bei mir oft früher als in der allgemeinen Gesellschaft, wo man vielleicht noch hofft und sich an Möglichkeiten klammert.

Aber hinter der Akzeptanz, dass etwas endlich ist, öffnet sich ein großer Raum – für ungefilterte Begegnungen, für echtes Leben. Freiheit ist auch, wenn man der harten Realität ins Auge blickt und das Beste draus macht.

Wie du weiterlebst, wenn andere Krebsbetroffene sterben? Unsere one-and-only Claudia hat hier ihre Erfahrungen und Lösungsansätze geteilt.

Zusammen trauern heilt anders 

Als eine andere Freundin gestorben ist, war ihr Schwiegervater ganz allein zu Hause, weil alle zu ihr gefahren waren. Im Nachhinein sagte er, dass es schlimm für ihn war, allein zu trauern 

Einen Kreis mit anderen Menschen zu haben, die gerade ebenfalls trauern, sei es um die gleiche Person oder andere, kann Seelenbalsam sein. Wenn du dich nämlich allein den Trauergedanken hingibst, werden deine Gefühle nicht durch andere relativiert und so fällt man schnell einmal unkontrolliert durch sämtliche Wolken. 

Im emotional offenen Raum mit anderen kann man sich gegenseitig auffangen und trösten, und malt gleichzeitig auf natürliche Weise Erinnerungsbilder, die beim Verarbeiten helfen. Ob man redet, ein Lagerfeuer macht – einfach nur, um gemeinsam mit melancholischer Miene reinzustarren – oder ausgefallene Erinnerungsrituale unternimmt: Durch die süße Gemeinsamkeit wird der Trauer auf dem Weg zur Akzeptanz wieder frische Luft zum Atmen gegeben.

Menschen sitzen am Wasser
Zusammensitzen, sich gegenseitig halten und trösten – das kann viel Kraft geben und helfen, den Verlust ein Stück weit zu verarbeiten. (Foto: Unsplash/Baptiste Buisson)

Wenn man über die gemeinsamen Erlebnisse mit der verstorbenen Person reflektiert, gibt man ihr wieder eine lebhafte Gestalt. Es geht darum, etwas auszudrücken, Worte zu finden, nicht alles im luftleeren Kopf zu behalten. Und dieser zwischenmenschliche Prozess erzeugt emotionale Tiefe, die man alleine nur schwer herbeiführen kann. 

Gemeinsam die Erinnerung leben 

Wenn Menschen sterben, bleibt oft das Gefühl zurück, etwas tun zu wollen – für sie, mit ihnen, jedenfalls in Gedanken. Rituale und geteilte Erinnerungen können helfen, die Verbindung lebendig zu halten und die Trauer in etwas Tragbares zu verwandeln. 

Als Chris gestorben ist, der immer die Radreisen bei Jung & Krebs organisiert hat, haben wir eine Tour auf seiner Lieblingstrecke gemacht. Für Julia hatten wir eine Gedenkwanderung organisiert, nachdem sie gestorben war. Indem man etwas tut, das ihnen gefallen hätte, bleiben die Menschen auf gewisse Weise lebendig. 

Und ja, auch Kommentare auf Social Media können heilsam sein. Egal wie – das Wichtigste ist meiner Meinung nach, in der Trauer nicht allein Gedankeninzest zu betreiben, sondern aktiv mit anderen die Erinnerung zu leben. 

Auf der nächsten Seite spricht Carsten über die vielen Gesichter der Trauer und darüber, warum jeder Tod anders ist.

Über die Serie

Carstens hautnahe Krebserfahrung im zarten Alter von 24 hat ihn zum Meister der krebsverwandten Gefühlswelt gemacht. 14 Jahre nach seiner Diagnose hilft er als Psychoonkologe jungen wie alten Krebspatient:innen beim psychischen Waschgang. Jetzt auch in geschriebener Form! Das Kurvenkratzer Magazin präsentiert “Carstens Psychoonko-Kolumne” (inklusive schwarzem Humor und hochdosierter Empathie). 

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