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Redewendungen rund um den Tod
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Zuletzt gelacht ist (noch lang) nicht totgelacht

Um Sterben und Tod zu verarbeiten, hat sich die Menschheit eine unfassbare Menge an Umschreibungen einfallen lassen. Schauen wir uns doch ihre Herkunft an und finden heraus, was sie bedeuten.

Der Tod ist in unseren Gefilden etwas, dass man nicht unbedingt direkt ansprechen will, ein todernstes Tabu. Schon unsere vorchristlichen Ahnen drängten Gevatter Tod an den Rand der Gesellschaft. Man durfte den Namen eines Toten nicht aussprechen, weil das den Geist des Verstorbenen wachrufen würde. 

Der Tod und die Sprache sind ein schräges, aber ebenso kreatives Team. Circa eintausenddreihundertfünfundfünfzig Umschreibungen gibt es für das endgültige Ableben. Aus gutem Grund. Umschreibungen verschleiern den Ausdruck, den es zu vermeiden gilt, und dienen dabei gleichzeitig als Spiegel gesellschaftlicher Anschauungen.  

Oder noch abergläubischer: Schon das Aussprechen des Wortes “Tod” könnte einen tödlichen Unfall heraufbeschwören. Über Todesangelegenheiten zu tratschen, galt also meist als uncool. Wir finden das übrigens supercool und haben einige Artikel für dich, die zeigen, wie du dich auf gesunde Weise mit dem Tod konfrontierst.

Never Say Die! 

Heute ist es anders, aber irgendwie immer noch gleich. Tödliche Krankheiten (Shoutout an unseren ungebetenen Homie Krebs) vermeiden wir in Alltagskonversationen möglichst, um den Trauernden vermeintlich nicht noch mehr Kummer zu bereiten, das Sterben an sich ist eine Angelegenheit für die verwinkelte und sterile Parallelwelt namens Krankenhaus.

Tote darf man nicht berühren oder küssen, um die Totenruhe zu bewahren, und unseren Kindern halten wir die Augen zu, um ihnen den Anblick der regungslosen Omama zu ersparen. Dabei hat sie sich vorher auch nicht viel bewegt.

Was wir damit sagen wollen: Der Tod gehört zum Leben. Er ist natürlicher als Plastik und umwelttechnisch nicht mal annähernd so schädlich. Aber genau wie Plastik lässt er sich nicht einfach so aus unserer Gesellschaft eliminieren. Es geht um Ereignisse, die kommuniziert werden müssen – und sei es mit den schrägsten Metaphern, die sich jemand gerade spontan aus dem Finger gesogen hat.

Im Grunde versuchen wir doch bloß, die Angst vor dem Tod auf charmante Art und Weise zu bewältigen. Wie du mit Tod von Angehörigen umgehst, das ist eine andere Geschichte, die sich hinter diesem Link verbirgt.

Von gehobener Sprache über salopp-umgangssprachlich bis komplett derb. Wir fetzen euch jetzt eine gediegene Auswahl an Todessatzerl vor den Latz! Viel Spaß. 

Bettlaken-Geist telefoniert
Der Tod ruft meist mit unterdrückter Nummer an. (Foto: Unsplash/Dalton Smith)
  • “Die letzte Reise antreten”

Jaja, der Tod wird oft als Reise wahrgenommen, bei den Hindus und Buddhisten insbesondere. Meist geht’s den Fluss runter. Aber zu jeder großen Reise gehört auch das Abschiednehmen und das Verlassen des vertrauten Hauses. Und so romantisiert man das Sterbensleid.  

  • Von der Bühne des Lebens abtreten” 

Yeeeeeeaaaah! Zu-ga-be! Zu-ga-be! *schallender Applaus* Nur kommt nie eine Zugabe. Die Tour ist beendet und alle können mit schönen Erinnerungen nach Hause gehen. 

  • “Die ewige Ruhe finden” 

Seelenruhe ist wohl gleichbedeutend mit der Befreiung von allem irdischen Leid. Kein Körper, keine Probleme. Man stellt sich ja auch oft gern vor, dass es den Verstorbenen in der ewigen Ruhe besser geht als zu Lebzeiten. Gerade, wenn sie gelitten haben. 

  • “Kapores gehen” 

Wohin gehen? Nach Kapores? Häh? Nö, das ist keine mythische griechische Insel voller Sirenen. Vielmehr stammt das Wort von dem hebräischen Kappôreth ab, was so viel wie “Versöhnung” oder “Genugtuung” bedeutet. Man versöhnt sich also mit dem Tod, lädt ihn ein, zum allerletzten Tee. 

  • “Warten, bis man schwarz wird” 

Brrrr, kannst du dich noch an die Pandemie erinnern? Nein, nicht Covid. Den Klassiker unter den Pandemien – die spätmittelalterliche Pest. Mitte des 14. Jahrhunderts starben 25 Millionen wegen dem Dreck. Die Vorboten des Todes waren schwarze Hautflecken, dunkler Urin, eine dunkelbraune Zunge, usw. Den Rest wollen wir dir ersparen. Daher rührt jedenfalls der Begriff “Schwarzer Tod” und auch die titelgebende Redewendung.  

  • “Die Radieschen von unten betrachten” 

Wieso gerade Radieschen eigentlich? Naja, das Wort hat seinen Ursprung im lateinischen “radix”, was so viel wie Wurzel heißt. Der Ausdruck kam erstmals im 1. Weltkrieg auf, als Schützengräben voll im Trend lagen und die Soldaten sich da unten Umschreibungen ausdachten, um den Schrecken vor der Realität zu mindern. Im Englischen und Französischen gibt es übrigens ähnliche Ausdrücke, wie z.B. “to push up the daisies” (die Gänseblümchen hochdrücken)

illustrierte Figur in einem Sarg ist unter Radieschen begraben
Wie Radieschen wohl von unten aussehen? (Foto: Unsplash/Phillipe Collard & Harry Clarke)
  • “Das Zeitliche segnen” 

Haaach ja, die Vergänglichkeit des Lebens – als Sterbende:r nimmt man Abschied von der Zeit und wünscht sich Gottes Segen herbei. (Also, nicht jede:r natürlich – aber am Sterbebett sind noch viele gläubig geworden.) Der Segen ist das Letzte, was man für die Welt und die Hinterbliebenen tun kann. Und man munkelt, der letzte Wunsch eines Sterbenden sei besonders wirkungsvoll. 

  • “Bei Elvis sein/Bei Elvis im Chor singen” 

Elvis war so ein guter Künstler, dass er logischerweise in den Himmel kommt und dort mit den Harfe spielenden Engelchen jammt. Um nicht mehr als den Preis des Lebens kann man dort ein Exklusivkonzert mit dem King of Rock ’n’ Roll erleben.  

  • “Den Löffel abgeben” 

Diese traditionsreiche Redensart hat mehrere mögliche Herkünfte. Und alle hieven den Löffel auf gewisse Art zu einem Symbol des Lebens.  

  1. Stell dir eine opulente Hausfrau im 18. Jahrhundert vor, die tagein, tagaus eine Suppenkelle als Statussymbol am Gürtel hängen hat. Und jetzt stell sie dir am Sterbebett vor. Und jetzt, wie sie mit ihren letzten Atemzügen den Schöpflöffel an die Nachfolgerin weitergibt. Und jetzt, wie die Nachfolgerin mega emotional wird, unter anderem, weil sie sich so geehrt fühlt. Dramatisch. Filmreif. 
  2. Weiter in den Schwarzwald, anno dazumal. Da hatte jede:r ihren:seinen eigenen Löffel. Wenn gestorben wurde, wanderte der Lebenslöffel dann an die Wand des rustikalen Bauernhauses. 
  3. Letzter Halt: Mittelalter! Bäuerliche Traditionen besagten, dass jede:r von Kindesbeinen an von ihrem:seinem eigenen Löffel zu fressen hat. Und damit dieser nicht verloren geht, befestigte man ihn mit einer Schnur am Halse. Praktisch. Bis das Individuum dann stirbt und die Schnur gekappt wird. Denn wenn man tot war, bedurfte man in der Regel nicht mehr der Nahrungsaufnahme. Auch praktisch. 
Ziege isst Gras auf einer Wiese
Ziegen beißen jeden Tag ins Gras. (Foto: Pexels)

Was diese Ziege mit unserer nächsten Redewendung zu tun hat? Du erfährst es auf der nächsten Seite.

Über die Serie

Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.

Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.

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