
Wie du mit Kinderlosigkeit wegen Krebs klarkommst
Was bleibt, wenn der Kinderwunsch an der Krankheit zerbricht? Gemeinsam mit der Expertin Almut Dorn geben wir dir in diesem Artikel Frauen Halt, Ehrlichkeit – und Wege durch einen Schmerz, für den es keine einfache Lösung gibt.
Seite 2/3: Vergleiche fallenlassen – jetzt wird kommuniziert! Oder auch nicht – genauso okay.
Die Tücken der sozialen Vergleiche
Wir vergleichen uns, so sind wir Menschen nun mal. Was dir aber vielleicht nicht bewusst ist: Du siehst nur einen Ausschnitt. Du siehst nur, was andere haben, aber nicht, was sie vermissen. Auch Menschen, die scheinbar das perfekte Leben führen, kämpfen mit Schwierigkeiten.
Und schlussendlich möchte eh kaum jemand das Leben anderer komplett übernehmen. Meist sind es “nur” Sehnsüchte nach etwas ganz Bestimmten.

Deshalb konzentriere dich auf deine eigene Geschichte: Auf welcher Seite deines Lebensbuches befindest du dich? Wie willst du dieses Kapitel gestalten? Welche Wege stehen dir jetzt offen?
Wie mit sozialem Druck umgehen?
Jetzt stellt sich langsam eine unvermeidbare Frage: Wie gehst du mit dem Thema um, wenn es im Umfeld aufkommt?
Es braucht viel Respekt und Empathie, um sich in jemanden hineinzuversetzen, der etwas so Durchdringendes durchmacht. Viele können die schmerzende Tiefe dieser emotionalen Kerbe gar nicht nachvollziehen. Auch, weil jede Lebenssituation ihre eigene Komplexität besitzt. Erwarte also nicht, dass du in Familien-, Freundes- und Arbeitskreisen gleich auf Verständnis stößt.
Eventuell kommt sogar ein Satz á la “Aber wenn du Krebs hattest, solltest du doch eh keine Kinder mehr kriegen” direkt aus der Hölle in dein Gesicht geflogen. WTF?! Wenn jetzt dein seelischer Vulkan ausbricht, ist das dein gutes Recht. Aber bedenke: Die meisten meinen es nicht böse – oft fehlt das Bewusstsein für solch eine Situation und stattdessen stülpen sie dir stümperhaft ihr Weltbild über.
Was tun bei blöden Fragen?
Wenn Fragen wie “Wann ist es bei dir soweit?” oder “Warum hast du denn noch keine Kinder?” kommen, kannst du das hier tun oder sagen:
- Nimm dir einen Moment, atme tief durch und sammle dich.
- Bereite dir zwei Sätze vor, wenn du nach Kinderlosigkeit gefragt wirst. Dann wirst du nicht allzu kalt erwischt und die Frage verliert ein wenig die Macht über deine Gefühlswelt.
- Wenn die Aussage verletzend ist, kannst du z. B. antworten:
- “Ist dir bewusst, dass mich deine Aussage gerade verletzt hat?”
- “Wenn du dich wirklich für mich und meine Situation interessierst, kann ich dir gerne etwas erklären.”
- “Offensichtlich weißt du nicht viel von meiner Lebensrealität. Bitte beschäftige dich erstmal mit dem Thema, bevor du so etwas sagst”.
- Und vor allem: “Ich möchte eigentlich nicht darüber reden.“

Dadurch, dass ich künstlich in die Wechseljahre versetzt wurde und dies auch viele Nebenwirkungen mit sich bringt, fühlte ich mich oft nicht als Frau oder Teil der Gesellschaft. Mit Anfang 30 sind viele schon Mama oder werden es bald. Jede Werbung, bei der es ums Muttersein geht oder bei der man Mamas mit ihren Babys sieht, tut weh.
Jeder Film, bei dem es um eine Schwangere oder Mutterschaft geht, wird nicht geschaut. Es wird besser, aber ich habe es noch lange nicht überwunden oder akzeptiert. Jedes Mal gefragt zu werden, warum man noch keine Kinder hat oder wie die Kinderplanung aussieht, ist furchtbar und tut weh.
Früher habe ich nicht viel dazu gesagt, aber heute konfrontiere ich die Leute mit der Wahrheit. Man wird leider ständig mit dem Thema konfrontiert.
– Kathrin D, Community
Du. Musst. Nicht. Darüber. Reden.
Bei all dem Fortschrittsdrang Richtung Tabulosigkeit müssen wir hier auch deutlich erwähnen: Du musst nicht darüber reden. Das ist vollkommen in Ordnung. Wenn du (noch) nicht bereit bist, dann bist du (noch) nicht bereit. Manchmal ist es besser, die Wunde nicht wieder aufzureißen, sondern im Stillen verheilen zu lassen. Dich voreilig mit diesem Trauma ins zwischenmenschliche Rampenlicht zu stellen, hilft weder dir noch dem allgemeinen Verständnis.
Jeder hat sein eigenes Verarbeitungstempo, und wenn du bereit bist, darüber zu reden, wird es wie von allein hochkommen, im richtigen Kontext, mit den richtigen Leuten.
Aber du darfst darüber reden – mit Psycholog:innen
Psychologische Hilfe ist keine Pflicht, aber ein wertvolles Angebot, dass du nie auf Anhieb ausschlagen solltest. Wenn du durch Familie oder Freund:innen gut aufgefangen wirst – toll! Doch viele brauchen noch eine neutrale Person, die nicht voreingenommen ist und Raum für Reflexion bietet.
Besonders wenn die intensive medizinische Betreuung vorbei ist, du plötzlich „aus dem System fällst“ und trotzdem noch nichts auch nur in der Nähe von normal ist, beginnt oft die eigentliche Aufarbeitung – und die kann effektiv betreut und angeleitet werden.
Zu Anfang habe ich es in mich hineingefressen und geschwiegen, aber das war keine gute Strategie. Ich würde jeder Betroffenen empfehlen, sich eine:n Therapeut:in zu suchen, mit dem oder der man darüber sprechen kann. Man kann erkennen, dass man ein wertvoller Mensch und Teil der Gesellschaft ist, auch ohne Kinder zu bekommen und sich überlegen, wie man sein Leben ohne Kinder gestalten möchte.
– Kathrin D, Community
Du bist nicht allein
Wenn man ganz genau ist, können dich eigentlich nur Menschen, die auch selbst von dem Doppelschlag betroffen sind, wirklich verstehen. So jemanden zu finden und sich über Gefühle und Erfahrungen auszutauschen, kann sich wie emotionales Aufatmen anfühlen. Am Ende des Artikels findest du Links zu Anlaufstellen, die dir helfen, eine Selbsthilfegruppe für ungewollt kinderlose Menschen in deiner Nähe zu finden.
Außerdem haben wir mit Mirijam geredet – sie hat Eierstockkrebs und sie hat uns einiges über Selbsthilfegruppen für ungewollt kinderlose Frauen erzählt. Schau rein!
Ich glaube richtig nachvollziehen können meine Gefühle nur Menschen, die auch aufgrund einer Krankheit ihre Fruchtbarkeit verloren haben. Es reden nicht viele darüber, was auch vollkommen okay ist, jeder geht anders damit um. Es ist schon noch ein großes Tabu offen über Krankheiten zu sprechen und die Folgen der Krankheit. Es ist ein höchst sensibles Thema.
– Kathrin D, Community

Wie als Paar kommunizieren?
In dieser Situation Schuldgefühle zu haben, ist völlig normal – gerade, wenn ihr euch als Paar fürs Kinderkriegen verabredet habt. Vielleicht fühlst du dich verantwortlich dafür, deinem Partner die Chance auf ein Kind genommen zu haben.
Solche Gedanken kommen vor, doch entscheidend ist, wie offen sie besprochen werden können – ohne Misstrauen oder Schuldzuweisungen. Einige Paare wachsen an der Erfahrung, andere zerbrechen daran. Es gibt keine Garantien, aber Offenheit und ehrlicher Austausch können sehr helfen – besonders, wenn es darum geht, diese Emotionen gemeinsam zu verarbeiten.
Mein Partner und ich trauern um das Leben, das wir nie zusammen haben werden und ich kann nur jeder Betroffenen und deren Partnern eine Therapie empfehlen. Denn es braucht ein offenes Ohr, um über seine Sorgen, Ängste und Trauer zu sprechen. Manches mag man einfach nicht mit Freund:innen oder Familie besprechen. Und je öfter man darüber spricht, desto besser geht es einem.
– Erfahrung von einem Communitymitglied
Auf der nächsten Seite wagen wir einen freudsamen Blick nach vorne – ohne Kinder, aber mit viel Perspektive!