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Kinderlos glücklich?
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Wie du mit Kinderlosigkeit wegen Krebs klarkommst

Was bleibt, wenn der Kinderwunsch an der Krankheit zerbricht? Gemeinsam mit der Expertin Almut Dorn geben wir dir in diesem Artikel Frauen Halt, Ehrlichkeit – und Wege durch einen Schmerz, für den es keine einfache Lösung gibt.

Was dir dieser Artikel mitgibt:

  • Wie du verarbeitest und nicht verdrängst 
  • Wie du emotionale Selbstfürsorge betreibst 
  • Wie du eigene Wünsche von fremden trennst 
  • Wie du mit Druck von außen umgehst 
  • Wie du neue Perspektiven entwickeln kannst 

Eine Krebserkrankung verändert den Blick auf den eigenen Körper, auf das Leben, auf die Normalität. Vielleicht fühlst du dich aus deinem eigenen Leben herausgefallen. Du siehst, wie andere mit ihren Kindern unterwegs sind. Ufff. Harter Tobak. 

Gerade, wenn Krebs im Spiel ist, stapeln sich die schwierigen Themen wie Holzblöcke zu einem Jenga-Turm. Kinderlosigkeit ist eine Sehnsuchtskrankheit, gegen die es keine pauschale Medizin gibt. Und so bleibst du irgendwo zwischen Hoffnung und Ohnmacht hängen.  

Person fotografiert Jengaturm
Sobald Krebs ins Spiel kommt, stapeln sich die schwierigen Fragen wie Jenga-Steine. (Foto: Unsplash/Nik)

Egal, ob deine Fruchtbarkeit vollständig verloren oder nur eingeschränkt ist: Der Umgang mit den eigenen Zukunftsvorstellungen und das Zulassen von Trauer sind entscheidend für deine seelische Gesundheit. Und genau an diesem Punkt wollen wir dich unterstützen. Gemeinsam mit Dr. Almut Dorn, Expertin für gynäkologische Psychosomatik, haben wir ein paar Bewältigungsmethoden ausgearbeitet, die dir durch die Doppelkrise Krebs und Kinderlosigkeit helfen sollen.

Bist du ein Mann, unfruchtbar und hast dich in diesen Artikel gewagt? Supercool! Solltest du Hodenkrebs haben, sprechen wir hier gezielt über deine Situation.

Mach dir den Wunsch bewusst 

Ein unerfüllter Kinderwunsch ist grundsätzlich sehr belastend – unabhängig von der Ursache. Stellt dir aber Krebs das Bein auf dem Weg zum Kinderwunsch, wird das Thema plötzlich und auf eine unangenehme Weise sehr bewusst – anders als bei gesunden Menschen, die sich diesem Thema mit einer eher selbstverständlichen Haltung nähern.  

Du aber musst dich früher und bewusster mit den unangenehmen Fragen der möglichen Kinderlosigkeit auseinandersetzen und gleichzeitig mit vielen weiteren Belastungen umgehen, die Gleichaltrige meist nicht haben. Das ist emotional ganz schön aufwühlend, kann aber auch klärend sein. Verdränge deine Gefühle also nicht, sondern lass ihnen Platz.  

Denn nur, wenn du deinen Schmerz anerkennst, kannst du seine Bedeutung versethen und Schritt für Schritt lernen, mit der veränderten Realität liebevoll umzugehen. 

Dieser Artikel ist in Kooperation mit Dr. Almut Dorn entstanden. Sie ist eine erfahrene psychologische Psychotherapeutin mit über 20 Jahren Expertise in gynäkologischer Psychosomatik und bewegt sich somit an der Schnittstelle zwischen Geist und Körper. Themen wie der unerfüllte Kinderwunsch, Prämenstruelles Syndrom (PMS) oder der weibliche Zyklus, sind genau ihr Ding. In ihrer Hamburger Praxis hilft sie Frauen dabei, sich nach traumatischen Erfahrungen in ihrer Haut wieder wohlzufühlen.

ADorn
Dr Almut Dorn (Foto: Privat)

Wie du dich vom ungelebten Leben verabschiedest 

Vielleicht hattest du dein ganzes Leben lang Vorstellungen davon, einmal Mutter oder Vater zu werden. Dein:e Partner:in wäre auch motiviert gewesen. Wenn die Traumblase aber geplatzt ist, schockt dich das erstmal. Die Zahnräder rattern und du realisierst, was das für dein Leben bedeutet. Von einem Moment auf den anderen kannst du nicht mehr von einer Zukunft träumen, von der du dachtest, dass sie dir sicher ist. 

Vielleicht hattest du auch nie einen klar formulierten Kinderwunsch – und wirst erst durch die Diagnose mit dem Thema konfrontiert. Plötzlich entsteht dann ein sehr starkes Bedürfnis nach etwas, das nicht mehr erreichbar scheint.  

So oder so drängen sich gewisse Fragen auf: Wie verabschiede ich mich davon? Wie lasse ich dieses Bild meiner Zukunft los?  

Fantasieren dürfen, Pläne machen – das gehört zur Lebensqualität. Und auch wenn wir nicht wissen, ob unsere Pläne in Erfüllung gehen, ist es wichtig, sie überhaupt haben zu dürfen. 

Unser Rat: Wenn dich die Traurigkeit über das kinderlose Leben packt, versuch nicht, sie wegzuschieben. Stell sie dir wie eine schwere Jacke im Winter der Trauer vor – du ziehst sie kurz an, spürst sie, und ziehst sie wieder aus, wenn wieder schönere Tage am Horizont stehen. 

Person von hinten mit orangebrauner Winterjacke
Der Trick mit der Trauerjacke: Wenn dich Traurigkeit überkommt, nimm sie an. Zieh sie an wie eine Jacke und zieh sie dann auch wieder aus, wenn es gut ist. (Foto: Unsplash/Daniel Bowman)

Nächster Rat: Sei ehrlich zu dir selbst, was dir an solchen Tagen guttut, und was nicht. Du musst dich nicht mit Kindergeburtstagen oder Spielplatzbesuchen konfrontieren, wenn es gerade wehtut. So wie Alkoholiker:innen nicht in Bars gehen, wenn sie clean werden wollen, musst du dich nicht in Situationen bringen, die dich runterziehen. Es ist okay, „Nein“ zu sagen. Und es ist stark, gut auf dich aufzupassen. 

Die Kinderfrage konnte ich immer nur in Bruchstücken zulassen. Da war ganz viel Trauer und Fassungslosigkeit. Ich wusste schon lange, wie meine Kinder einmal heißen sollen. Von genau diesen Kindern musste ich mich verabschieden. Ich habe dazu kein Ritual durchgeführt. Das konnte ich nicht. Ich habe geweint und mit meiner Psychoonkologin und Freundinnen darüber gesprochen.  

Als meine Cousine dann ungeplant zum dritten Mal schwanger wurde (sie ist älter als ich) und meine Oma mir das am Telefon freudig erzählte, habe ich nur stumm geweint, versucht, dass sie das nicht merkt. Ich fand es unglaublich unfair und habe dennoch versucht, mich für sie zu freuen, was mir aber extrem schwer fiel. Meiner Oma habe ich dann einige Monate später mitgeteilt, dass ich keine Kinder bekommen kann (ich bin das einzige kinderlose Enkelkind).  

Auch das war nicht leicht. Trotz aller Hürden bin ich psychisch recht gut durch das alles gekommen. Auch wenn ich durch die Isolation erst einmal wieder lernen musste, mit Menschen um mich herum klarzukommen. 

Erfahrung eines Mitglieds aus der Community 

Trenne eigene Wünsche von fremden 

Der Wunsch nach einem Kind – das erste Mal, dass du bewusst spürst, dass du schwanger werden und etwas weitergeben möchtest – kann aus unterschiedlichen Motiven entstehen. 

Manche Menschen entwickeln diesen Wunsch, weil es „einfach ansteht“, weil alle anderen auch Kinder bekommen. Sie formulieren ihn nicht bewusst – es ist eher ein gesellschaftlicher Schritt – hin zum üblichen Familienmuster. 

Hinterfrage also, ob der Kinderwunsch aus deiner eigenen, inneren Überzeugung entstanden ist, und inwiefern gesellschaftliche Erwartungen dabei eine Rolle spielen. Dir über diese Frage klar zu werden, kann helfen, deine Gefühle einzuordnen und abzugrenzen.  

Überlege also: Wo hört dein Wunsch auf und wo fängt die Erwartung an? 

Auf der nächsten Seite lernst du, wie du mit sozialem Druck umgehst, und deine Situation in alle Richtungen kommunizierst. 

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