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Julie vs. Bill
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„Ich habe im CT und MRT geleuchtet wie ein Weihnachtsbaum“

Julia von „Julie vs. Bill“ spricht über Tarantino-Klassiker, Titten und Ärsche, Body Positivity und übers „flawless“ aussehen. Darüber, was genau Taschenlampenmomente sind und wo es die „geilste Nudelsuppe ever“ gibt, haben wir uns auch unterhalten.

Manchmal glaubt man ja, jetzt geht nichts mehr. Wie hilfst du dir, wenn es mal gar nicht positiv läuft und du dich wieder aufrichten sollst?

Also was immer hilft, ist Humor (lacht). Das ist so eine Sache, die hat man oder die hat man nicht. Ich finde irgendwie immer einen Grund zum Lachen. Wenn ich dann irgendeinen blöden Witz mache, wenn die Situation gerade total ernst ist und vielleicht ein Arzt oder derjenige, der gerade vor mir ist, mitschmunzeln muss. Das find ich total super. Schwarzer Humor ist immer gut. Was mir auch immer hilft: „Step by step“ gehen. Wenn ich gerade `ne ganz ekelhafte Untersuchung hatte, mir danach was Schönes gönnen. Ein Stück Kuchen oder eine Folge meiner Lieblingsserie, eingekuschelt im Krankenhaus Bett. Auf meinem Blog nenne ich das Taschenlampenmomente. Ich sammle immer wieder wie so Taschenlampen Momente, dokumentiere das mit Fotos oder Videos und versuche schöne Erinnerungen hervorzurufen, wenn ich gerade keine Neuen machen kann. Dann kann ich mich ein bisschen wegträumen. Sachen ausblenden und verdrängen ist für mich manchmal gar nicht so verkehrt.

November Julia Bekommt Im Krankenhaus Infusion
Wieder mal Zeit für nen frischen "Cocktail" - wie Julia ihre Infusion gerne nennt. Foto:Privat

Es gibt zwei Männer in deinem Leben: Nigel und Wookie. Wer stützt wen, wann und warum?

Also der Nigel ist natürlich eine ganz große Stütze. Wir sind erst nach der Metastasierung zusammengekommen, er hat sich also ganz bewusst für mich und diesen ganzen Rattenschwanz entschieden und das war irgendwie ganz wichtig für mich. Er ist mein Fels in der Brandung. Ich bin superemotional und er schafft es nicht völlig auszuflippen und in Panik zu verfallen. Das würde mir ja auch überhaupt nicht helfen. (lacht) Also wir gleichen uns da ganz gut aus.

 

Wie erlebt er deine Krebserkrankung?

Er versucht natürlich, so oft es geht, bei Behandlung oder Diagnose Gesprächen nach dem Staging dabei zu sein. Das ist natürlich auch eine Stütze. Nicht im Sinne von der Krankheit, sondern auch vom Leben. Ich meine, ich habe ja immer noch ein normales Leben und ganz normale Alltagsprobleme, wow. Man ist ja nicht nur Krebskranker. Aber auch die schönen Sachen. Es wär total schrecklich, wenn ich die alleine erleben müsste und nicht teilen könnte. Er ist im Großen und Ganzen einfach eine riesen Bereicherung. Genauso wie der Wookie. Der macht natürlich alles total unbewusst, könnte man meinen. Aber manchmal steckt hinter so einem Tier doch mehr, als man vermutet hätte. Die merken schon, was los ist. Das ist echt ganz süß.

November Wookie Und Julia Selfie
Seit über zwei Jahren ist Hund Wookie eine große Stütze für Julia. Foto: Privat
„Alter, wer bist du denn überhaupt?“

Wie bearbeitet ihr das Thema Endlichkeit?

Also für den Nigel war es, glaube ich, schwierig, sich zwischen realistisch und optimistisch sein zu entscheiden. Für mich ist er optimistisch geblieben und hat dann aber auf eine ganz realistische Art und Weise die notwendigen Dinge mit mir geregelt. Dinge wie Patientenverfügung und Vollmacht. Das macht man nicht einfach so. Vor allem dieses Vollmacht-Ding. Da wird es einem schon bewusst, wie ernst die Situation gerade ist und dass es auch endlich ist das Leben. Aber das haben wir ganz gut hingekriegt.

 

Mit dem Thema Body Positivity geht‘s weiter auf der nächsten Seite.

Über die Serie

Stark sein? Runterschlucken? Das Schicksal ertragen? Wir von Kurvenkratzer bekommen latenten Brechreiz, wenn wir derartige Sprüche hören. Und warum flüstern wir, wenn wir über Krebs reden? Ja, Krebs ist in unserer Gesellschaft leider noch immer ein Tabu. Studien zufolge trifft aber jeden zweiten Menschen im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung. Krebs ist also alles andere als eine gesellschaftliche Nische.

In unseren Interviews sprechen wir mit Menschen, die Krebs am eigenen Leib erfahren haben oder nahe Betroffene sind. Wir reden mit ihnen über den Schock, den Schmerz, Hilfe zur Selbsthilfe, Humor und Sexualität, sowie darüber, wie es gelingt, Mut und Hoffnung zu finden. Damit möchten wir dich motivieren: Wenn du das Gefühl hast, über deine Erkrankung sprechen zu wollen, dann tu es. Du bist nicht allein.

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