Eierstockkrebs mit 29: Annas Umgang mit dem Familienwunsch
Wie geht man damit um, wenn der Neid mit am Tisch sitzt? Wenn statt Babybauch plötzlich der Krebs das Leben übernimmt? Anna war mitten in der Familienplanung. Dann kam die Diagnose: Eierstockkrebs, Stadium IIIc. Lies weiter für einen ungefilterten Einblick.
Lesebrille auf, wenn du:
- das Gefühl kennst, dass dein Lebensplan umgeworfen wurde,
- einen ehrlichen Einblick in die Gefühlslage von Anna bekommen willst,
- dich fragst, wie man mit einem unerfüllten Kinderwunsch umgeht.
Für viele ist ein unerfüllter Kinderwunsch wie die Sonne: Mal sichtbar, mal gut versteckt, aber immer spürbar. Auch für Anna Vötter. Die 33-jährige Österreicherin wächst auf einem Bauernhof auf, zwischen Kühen, Hühnern, Katzen und Hasen. Schon als Kind ist für sie klar: Eines Tages möchte sie den elterlichen Hof übernehmen. Ein Ort voller Leben, perfekt für Tiere… und Kinder.
Aber ihr Körper hat andere Pläne. Immer wieder leidet Anna an Unterleibsschmerzen. Erst heißt es Blasen-, später Eierstockentzündung. Weil sie gerade versucht, schwanger zu werden, lässt sie alles noch einmal gründlich abklären. Zum Glück – oder eher: gerade noch rechtzeitig. 2021 folgt die Diagnose: Eierstockkrebs, Stadium IIIc.
Beide Eierstöcke und die Gebärmutter müssen entfernt werden. Plötzlich ist alles ungewiss. Trotz Positivität und ihrem Motto „Es ist, wie es ist – aber es wird, was du daraus machst“ trifft sie diese Realität mit voller Wucht.
Im Gespräch erzählt Anna ehrlich, wie es ist, wenn der Lebensplan plötzlich auf „Pause“ drückt und wie sie trotzdem Kraft schöpft.
Inwiefern hat die Krebsdiagnose deinen Kinderwunsch beeinflusst?
Ich habe leider keine Kinder – obwohl sie für mich zur fixen Lebensplanung gehörten. Am liebsten wollte ich drei oder vier. Am Bauernhof gibt es ja genug Platz und Kinder erfüllen alles mit Leben. Durch die Tumorerkrankung mit 29 Jahren wurde dieser Traum leider zerstört.
Dass ich Krebs habe, war für mich anfangs fast nebensächlich – ich Unwissende dachte: Damit kann man fertig werden. Aber die Entfernung meiner Eierstöcke und der Gebärmutter war endgültig. Für mich ist eine Welt zusammengebrochen.
Der unerfüllte Kinderwunsch betrifft nicht nur mich. Wenn ich meine Eltern mit den Kindern meiner Geschwister spielen sehe, bin ich oft unendlich traurig, dass nicht auch meine Kinder ihren Opa und ihre Oma vergöttern. Auch bei meinem Mann hatte bzw. habe ich das Gefühl, seinem Traum von Familie im Weg zu stehen.
Besonders schwer war für mich der Umgang mit meinem Umfeld. Nach einer CT-Besprechung, bei der mir gesagt wurde, dass die Therapie nicht mehr wirkt, erzählte mir meine Schwester am nächsten Tag überglücklich von ihrer Schwangerschaft. Ich konnte mich nicht freuen. In mir war eine Mischung aus Zorn, Wut und Neid. Für diese Gefühle habe ich mich sehr geschämt und lange mit niemandem darüber gesprochen.
Gab es Entscheidungen, die du im Hinblick auf deinen Kinderwunsch treffen musstest?
Auf meinen eigenen Wunsch hin wurde mir ermöglicht, einen Eierstock zu konservieren. Der ist jedoch auch vom Tumor befallen. Trotzdem war allein die Möglichkeit der Konservierung für mich wie eine Brücke zum Aufrechterhalten eines Traums.
Adoption ist für uns nach wie vor eine Option. Schon kurz nach der Erstdiagnose haben wir uns bei der Adoptionsbehörde gemeldet und stehen seither auf der Warteliste. Leider verzögert sich der verpflichtende Vorbereitungskurs ständig. Wir wissen aktuell gar nicht, wie weit vorne wir auf der Liste überhaupt stehen. Und dann ist da natürlich die Frage, ob ich in meiner Situation überhaupt als „gesund“ genug gelten würde. Das ist absolut nachvollziehbar – es geht ja darum, einem Kind ein stabiles und sicheres Zuhause zu bieten.
Wir haben auch über Leihmutterschaft nachgedacht. In Österreich ist das gesetzlich nicht erlaubt, aber es gäbe Möglichkeiten über Kliniken im Ausland, zum Beispiel in Griechenland oder der Ukraine. Allerdings ist selbst das ungewiss – weil nicht klar ist, ob aus meinem befallenen Eierstock überhaupt noch Eizellen gewonnen werden könnten. Auch dieser Weg ist mit vielen Fragezeichen verbunden.
Wie geht es dir heute und welche Ratschläge würdest du anderen in derselben Situation geben?
Darüber zu sprechen fällt mir nicht schwer. Aber ich merke, dass es vielen in meinem Umfeld anders geht.
Die größte Frage, die mich heute beschäftigt, ist: Darf ich trotz meines Gesundheitszustandes überhaupt noch vom Kinderwunsch träumen? Während der tumorfreien Zeit war der Wunsch ganz klar da. Seit dem Rezidiv bin ich unsicher. Ist es egoistisch, daran festzuhalten? Oder sollte ich das Leben so annehmen, wie es ist, und die Zeit mit den Kindern in meinem Umfeld bewusst genießen?
Ich habe auch Angst vorm Altwerden. Ohne eigene Kinder und Enkelkinder stelle ich mir das ziemlich einsam vor. Ich möchte nicht die komische alte Tante werden, die man an Feiertagen besucht, weil man muss.
Auch vier Jahre nach der Erstdiagnose belastet mich das Thema noch immer. Mal mehr, mal weniger. Ich bin selbst noch im Verarbeitungsprozess. Aber ich versuche, das Schöne in den kleinen Dingen zu sehen. Ich verbringe viel Zeit mit meinen Nichten, Neffen und Patenkindern, unternehme gern etwas mit ihnen – das gibt mir viel zurück.
Was ich anderen Frauen raten würde: Wenn möglich, Eizellen frühzeitig konservieren. Und ich wünsche jedem und jeder in einer solchen Situation ein so tolles Umfeld wie meines. Es gibt mir unendlich viel Kraft und Stärke.
Ein kleiner Tipp zum Schluss: Ich versuche, möglichst oft Sonnenauf- und -untergänge irgendwo am Berg oder einfach draußen zu beobachten. Irgendwo habe ich mal folgendes gelesen: „Sonnenuntergänge sind der Beweis, dass jeder Tag, ganz egal was passiert, schön enden kann“.
Quellen und Links:
- Im Kurvenkratzer Magazin findest du auch Mirijams Einblick zum Thema unerfüllter Kinderwunsch.
- In unserem Artikel zu Kinderlosigkeit geben wir Wege durch einen Schmerz, für den es keine einfache Lösung gibt.
- Unter unserem Magazinschlagwort „Kinder“ kannst du alles rund um Kinder und Krebs lesen.
Titelbild: Privat