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Stigmatisierung

Typisch für Stigmatisierung ist ein Zusammenspiel von Stereotypisierung, Vorurteilen und Diskriminierung.

Woher kommt der Begriff Stigmatisierung?

Stigmatisierung wird vom griechischem Begriff Stigma abgeleitet, was so viel wie Brandmal oder Stich bedeutet. In den 60er Jahren ist dieser Begriff von Erving Goffman in die Sozialwissenschaft eingeführt worden. Heute wird ein soziales Stigma mit Anderssein oder der Abweichung von einer Norm beschrieben.

Wie kommt es zur Stigmatisierung?

Typisch für Stigmatisierung ist die Verknüpfung eines bestimmten Merkmals (körperlich oder psychisch; bestimmte Eigenschaften) mit einem negativen Vorurteil oder einem negativen sozialen Stereotyp. Häufig geht damit die Diskriminierung (Benachteiligung, Abwertung) einer Person oder ganzer Gruppen einher. Besonders häufig betroffen sind Randgruppen der Gesellschaft.

Beispiele für soziale Stigmata sind unter anderem: Armut, Obdachlosigkeit, Arbeitslosigkeit, körperliche oder geistige Behinderungen, psychische Störungen, bestimmte Krankheiten (Depression, Sucht, HIV/AIDS, Krebs), die sexuelle Orientierung, Zugehörigkeit zu einer bestimmten Nationalität oder Religion.

Warum werden bestimmte Personen oder Gruppen stigmatisiert?

Sozialwissenschaftliche Untersuchungen haben herausgefunden, dass es bei der Stigmatisierung anderer häufig um Vereinfachung und Abgrenzung geht. Die pauschale Zuschreibung von bestimmten Eigenschaften und Merkmalen schafft Struktur und verringert die eigene Unsicherheit.

Das menschliche Bedürfnis, andere Personen oder Gruppen einschätzen zu wollen, scheint mit Hilfe von Stigmatisierung leicht möglich zu sein. Häufig geht Stigmatisierung mit einer ablehnenden Haltung einher. Aus psychologischer Sicht dient die Ablehnung anderer hierbei der eigenen Selbstwerterhöhung.

Warum werden an Krebs erkrankte Menschen stigmatisiert?

Der Soziologe Dr. Jochen Ernst von der Universität Leipzig hat zusammen mit anderen Forscher:innen eine Studie mit 858 Krebspatient:innen (BMC Cancer 2017) durchgeführt, um das Thema Stigmatisierung und Krebs näher zu beleuchten. Die Studie zeigt auf, dass die Lebensqualität von Krebspatient:innen durchaus von Stigmatisierung beeinträchtigt wird.

Laut dieser Studie laufen Stigmatisierung und Diskriminierung krebskranker Personen eher verdeckt ab. Der stille Rückzug von Freunden und Bekannten ist ein häufig beobachtetes Phänomen („Cancer Ghosting“). Gründe dafür liegen in der Unsicherheit des sozialen Umfeldes, mit der Krebsdiagnose umzugehen. Häufig haben Freunde und Bekannte von Krebspatient:innen Angst, das Falsche zu sagen. Auch Selbstschutz und falsch verstandene Rücksichtnahme können Gründe für den Rückzug nahestehender Personen sein.

Was können Krebspatient:innen gegen Stigmatisierung unternehmen?

An Krebs erkrankte Personen können dem sozialen Umfeld den Umgang erleichtern, indem sie offen über die Erkrankung informieren und Wünsche über das Miteinander in dieser Situation äußern.

Die Gruppe um den Soziologen Dr. Jochen Ernst von der Universität Leipzig ist der Meinung, dass mit geeigneten Gegenstrategien dauerhafte psychologische und psychosoziale Probleme vermieden werden können. Es wird angenommen, dass je nach Tumorart unterschiedliche Strategien gewählt werden sollten. Im Fall von Lungenkrebs empfehlen die Forscher:innen öffentliche Aufklärungskampagnen gegen Stigmatisierung. Brustkrebspatient:innen sollen eher individuelle Hilfe (z. B. Psychoonkologie) in Anspruch nehmen, um besser mit den negativen Folgen der Stigmatisierung umgehen zu können.

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