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Digitales Erbe
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Tod im Internet: Wie du digital nachlässt

Der Tod ist nicht mehr das, was er mal war. Heute stirbt man nämlich zweimal, oder lebt auf der Metaebene weiterje nachdem, ob dein digitales Erbe erhalten wird oder nicht. Im besten Fall entscheidest du das lange vor deinem Tod. Wir zeigen dir wie.

Profi-Level

Das Zugangschaos regeln 

Jetzt wird es langsam tricky, weil selbständiges Vorausdenken gefragt ist. Ganz grundsätzlich: Wenn im Testament oder in der Vollmacht nichts anderes vermerkt ist, werden die Erb:innen die neuen Eigentümer:innen all deiner Gegenstände – also auch vom Computer, von deinen Smartphones und Festplatten.  

Deshalb solltest du die Entscheidung, ob die Hinterbliebenen nach dem Tod Einblick in die digitale Privatsphäre haben dürfen, möglichst zu Lebzeiten treffen. Wer weiß, welche schmutzigen Geheimnisse sich in den Tiefen deines Laptops verstecken. Hmmm?  

Falls du die mit ins Grab nehmen willst (nicht wortwörtlich), kannst du im Testament dem:der Notar:in die Erlaubnis geben, bestimmte Dateien und Datenträger zu vernichten. Das klingt jetzt so, als würden sie in einem okkulten Feuerritual bei Nacht im Wald verbrannt werden, aber im Endeffekt müsste man nur die Festplatte formatieren. 

Die Liste aller Listen 

  • Um dein Online-Leben stressfrei zu übergeben, setze eine übersichtliche Liste mit all deinen Online-Mitgliedschaften, Benutzernamen und dazugehörigen Passwörtern auf. Das ist schon mehr als die halbe Miete in Sachen Vorsorge. Entweder ganz oldschool auf Papier, oder in einem kilobytegroßen und verschlüsselten Word-Dokument.  
  • Notiere einfach über einen längeren Zeitraum die Zugangsdaten aller Onlinedienste, die du nutzt. Nutze auch gleich die Gelegenheit, Profile zu löschen, die du länger nicht mehr gebraucht hast.  
  • Zusätzlich kannst du in dem Dokument anmerken, welche Profile nach deinem Ableben gelöscht und welche fortbestehen sollen. 
  • Wichtig ist, dass du die allmächtige Liste so sicher wie möglich aufbewahrst. Sonst klaut dir lebtags noch ein schurkischer Wicht die virtuelle Identität. Am sichersten wäre es, wenn du die Liste digital verschlüsselst, also zum Beispiel ein Word-Dokument mit einem Passwort versiehst. Und dieses gibst du dann der richtigen Person, oder steckst es in einen bombensicheren Safe. Bam! 

Wir raten jedoch davon ab, diese Liste in das Testament aufzunehmen. Das unterliegt nämlich sehr strengen Bestimmungen und jede kleine Veränderung würde eine Aufwandslawine lostreten. 

Ein Notizbuch, Handy und Kaffeetasse liegen neben einem Laptop auf dem Tisch.
Eine "Master-Liste" mit allen Zugangsdaten zu haben, ist schon zu Lebzeiten eine verdammt gute Idee. Dabei ist es nur außerordentlich wichtig, dass du sie an einem sicheren Ort aufbewahrst, von dem höchstens eine andere Person weiß. (Foto: Unsplash/Andrew Neel)

Aber wem anvertrauen?

  • Vertrauenswürdigen Menschen 

Das heißt, um bürokratischen Nonsens zu vermeiden, vertraust du diese Liste entweder dem:der zuständigen Notar:in an oder jemandem, dem:der du sehr nahestehst, und die:der genügend Internetkompetenz besitzt. Also am besten jemandem, der:die sich jeglichem Fortschritt verweigert. Selbstverständlich kannst du auch mehrere Personen bestimmen. 

  • Kurvenkratzer-Tipp: Passwortmanager 

Die deppensicherste Variante, deine Passwörter aufzubewahren! Die Kurvenkratzer-Gang verwendet LastPass und kann das Tool wärmstens empfehlen (Das ist keine bezahlte Werbung). 

Passwortmanager speichern bei jedem neuen Login die Zugangsdaten in einem Archiv. Dann braucht es nur noch ein einziges Master-Passwort, um das Archiv aufzuschließen. Meistens kommt als weitere Sicherheitsmaßnahme noch die Aufforderung zur Zwei-Faktor- Authentifizierung hinzu, die über das Handy erfolgt. Also gehe sicher, dass der Person, die das Master-Passwort bekommt, auch dein Handy in die Hände fällt. 

  • Datenbank 

Es gibt mittlerweile Unternehmen, die sich auf die Verwaltung des digitalen Erbes spezialisiert haben. Sobald Geld im Spiel ist, geben sie dir ein digitales Schließfach, dass den rechtmäßigen Erb:innen erst geöffnet wird, wenn du auf Radieschenbesichtigung bist.  

Boss-Level: Detektivarbeit

Was tun, wenn keine Vorsorge getroffen wurde? 

Der höchste Schwierigkeitsgrad ist den Hinterbliebenen vorbehalten. In dem Fall, dass nahestehende Personen ganz plötzlich von dannen gehen oder einfach komplett auf das digitale Erbe vergessen haben, bleibt ihnen nur noch der Griff zur Lupe (und vielleicht zur Pfeife, für den dramatischeren Effekt).  

Hier ein paar Tipps, wie du als Hinterbliebene:r Online-Konten ausfindig machst: 

  • Suche mit vollständigem Namen, E-Mail-Adresse oder auch Pseudonymen. 
  • Es gibt spezielle Suchmaschinen, die darauf spezialisiert sind, Accounts zu finden (yasni.de). 
  • Achtung: Es ist nie einfach, Konten bei nicht ganz so populären Diensten zu finden. 
  • Zugang zum E-Mail-Konto bekommen. Das E-Mail-Konto ist der Ort, an dem alle Stränge zusammenlaufen. Egal wo im Internet, überall braucht man eine E-Mail-Adresse, um sich anzumelden. Und im einfachsten Fall hatte der:die Verstorbene nur einen Posteingang. Also verschaffe dir zuallererst hier Zugang, um herauszufinden, wo die Person überall angemeldet war. 
Weißer Post-It-Zettel auf einer Detektiv-Pinnwand
Glaube uns: Detektiv zu spielen, klingt viel witziger als es wirklich ist. (Foto: Unsplash/Volodymyr Hryshchenko)
  • Datenlöschungs-Apps: Wie oben bereits beschrieben, gibt es einige Apps, die all deine Onlinekonten auf einer Liste zusammentragen können. 
  • Bekannte/Familie/Freund:innen können vielleicht Auskunft geben. 
  • Unternehmen anheuern, das investigative Recherche betreibt. Vielleicht etwas übertrieben, aber falls es wiiiirklich wichtig sein sollte und sonst nichts funktioniert hat. 
  • Online-Bestattungsdienste: Ja, auch Bestatter:innen fühlen am Zahn der Zeit. Mittlerweile haben viele Unternehmen zu ihrem Repertoire hinzugefügt, Onlineaktivitäten der Verstorbenen zu durchsuchen und sich um die Löschung von Profilen oder die Kündigung von Verträgen und Mitgliedschaften zu kümmern.
Über die Serie

Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.

Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.

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