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Digitales Erbe
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Tod im Internet: Wie du digital nachlässt

Der Tod ist nicht mehr das, was er mal war. Heute stirbt man nämlich zweimal, oder lebt auf der Metaebene weiterje nachdem, ob dein digitales Erbe erhalten wird oder nicht. Im besten Fall entscheidest du das lange vor deinem Tod. Wir zeigen dir wie.

In diesem Artikel erfährst du:

  • Was mit deinen Social-Media-Profilen nach dem Tod passiert. 
  • Wie du deinen Liebsten ein geordnetes digitales Erbe hinterlässt. 
  • Wie du dein Internetleben ausmistest. 
  • Wer deine Zugangsdaten bekommen sollte. 
  • Und was Hinterbliebene tun können, wenn keine Vorsorge getroffen wurde. 

Digitale Identitäten überleben ihre Eigentümer:innen mittlerweile oft. Unter anderem auch deswegen, weil die wenigsten vor ihrem Tod geregelt haben, was mit ihrer Online-Identität eigentlich passieren soll. 

Laut Umfragen haben magere 16 Prozent ihr gesamtes digitales Erbe unter Dach und Fach gebracht. Das zeigt, wie wenig sich die meisten Menschen mit ihrer virtuellen Hinterlassenschaft beschäftigen. Auch verständlich eigentlich, denn der Gedanke daran ist unangenehm.  

Wer den Online-Nachleben frühzeitig regelt, erspart den hinterbliebenen Liebsten eine Meeenge frustrierender Detektivarbeit. Abgesehen davon: je konkreter du festlegst, was damit geschehen soll, desto selbstbestimmter ist das Bild, das du von dir hinterlässt. 

Der digitale Nachlass ist kein Spaziergang, sondern ein Hinderniskurs mit verschiedenen Schwierigkeitsstufen. Deswegen wollen wir mal ganz von vorne anfangen, mit dem einfachsten Nachlass-Level. 

Mann, der sich durch einen Seilgarten hangelt
Wir führen dich durch den verwirrenden Hindernisparcours des digitalen Erbes, einen Schwierigkeitsgrad nach dem anderen. (Foto: Unsplash/Stephanie Ecate)

Amateur:innen-Level

  • Speichermedien  

Mit Dateien auf Festplatten und Computern verhält es sich so wie mit jedem anderen Erbe. Soweit nichts anderes im Testament vermerkt ist, kommen die Erb:innen in ihren Genuss und können mit den Daten im Grunde machen, was sie wollen.  

Außer natürlich, jemand anderes hält die Urheberrechte an einem Bild. Dann gelten selbstverständlich die Copyrightgesetze, auf die wir jetzt nicht weiter eingehen werden. Wir sind ja keine Rechtskanzlei. So weit, so klar. 

  • Verträge und Abos 

Auch hier relativ straight-forward. Verträge werden durch den Tod nicht automatisch aufgelöst. Vielmehr übertragen sich die Pflichten, die aus dem Vertrag hervorgehen, auf die Erb:innen. Also falls du nicht die Kosten für die überteuerten Sport-Streaming-Dienste deines Mannes übernehmen willst, dann känzel sobald du kannst! 

Ein Baum, auf dessen Ästen digitale Icons sitzen
Glaubt man diesem digitalen Baum hier, gibt es viel zu erledigen. Aber im Grunde kommt es ganz darauf an, wie viele Social-Media-Profile du so betreibst und wie übersichtlich du deine Zugangsdaten bisher verwaltet hast. (Foto: Pixabay)

Halb-Profi-Level

Vor- und Nachsorge bei Online-Diensten 

Nun, lass uns doch einen Schwierigkeitsgrad höher schalten: Beschäftigen wir uns mit den größeren Onlinediensten, die es gewohnt sind, dass ihnen Kund:innen wegsterben, und die dementsprechend standardisierte Vorsorgeprozedere eingerichtet haben. 

  • Facebook  

Es klingt vielleicht makaber, aber Facebook wird mehr und mehr zum Buch der Toten. Der Social-Media-Primus thront mittlerweile über 15 Jahre auf dem Internet-Olymp (neben Google und Amazon). Je länger Facebook bleibt, desto mehr Ex-Leute sind zwangsläufig darauf vertreten.  

Wenn du noch unter den Lebenden weilst, hast du Glück. Denn du kannst selbstbestimmt den Kontakt angeben, der dein Konto nach deinem Tod übernehmen soll. Einzige Anforderung ist, dass diese Person über 18 ist. 

Solltest du die:der Hinterbliebene von jemandem sein, der:die im Testament nichts konkretisiert hat, hast du die Wahl: Entweder du lässt das Profil löschen, oder du setzt es im Einstellungsmenü unter dem Punkt “Persönliche Information” in den Gedenkzustand. Somit wird das Konto eingefroren, und nichts kann mehr verändert werden.  

Derweil wird die Pinnwand zu einer Art digitalem Kondolenzbuch, in das ehemalige Bekannte Erinnerungsfotos und Trauerbekundungen posten. Du kannst außerdem noch das Profilbild ändern und den Termin zur Gedenkfeier veröffentlichen.  

  • Google  

…ist, wie so oft, ganz raffiniert. Du kannst nämlich ganz genau festlegen, welche Daten mit wem geteilt werden sollen. Ein Beispiel? Sagen wir Fotoalben, die nur bestimmte Familienmitglieder zu Gesicht bekommen sollen, wenn dich die Ewigkeit umhüllt. Oder das Gmail-Postfach, das nur mit deine:r Ehepartner:in geteilt werden soll.

Und falls du Videos auf YouTube hochgeladen hast (gehört auch zu Google), dann kannst du festlegen, ob sie mit deinem Tod öffentlich zugänglich bleiben sollen, oder nicht. 

Noch eine praktische Einstellung: Du kannst bis zu zehn vertrauenswürdige Menschlein angeben, die kontaktiert werden sollen, wenn dein Google-Konto lange keine Aktivität mehr erlebt hat.  

Berge von Dokumenten
Bestenfalls legst du eine Dokumentenmappe mit allen nötigen Dokumenten an, die du scannst und fortan immer am selben digitalen Ort aufbewahrst. (Foto: Unsplash/Wesley Tingey)

Nachsorge im Dokumentenhaufen 

Bei fast jedem Online-Dienst, sei es Social Media oder ein Crypto-Wallet, musst du als Erb:in folgende Dokumente vorlegen, damit du den:die Verstorbene:n offiziell ins digitale Jenseits schicken kannst. Ja, das ist manchmal echt anstrengend und der Prüfungsprozess dauert vielleicht eine Weile, aber es sind nun mal Schutzmaßnahmen gegen Missbrauch, die du nicht einfach umgehen kannst. 

  • Vor- und Nachname der verstorbenen Person 
  • Account-Name/Username der verstorbenen Person (oder zumindest Link zum Profil)   
  • Sterbeurkunde 
  • Einantwortungsurkunde 
  • Dein Ausweis 
  • Deine Kontaktdaten

Einantwortungsurkunde = ein offizieller, von dem:der Notar:in beglaubigter Nachweis, der bestätigt, dass du die:der rechtmäßige Erb:in bist. Wenn mehrere Erb:innen daraus hervorgehen, ist eine Zustimmung der Mehrheit aller Erbberichtigten notwendig. 

  • Nachdem alles erfolgreich geprüft wurde, muss das Konto entweder gelöscht werden (Crypto), wird eingeschränkt weitergeführt (Facebook) oder besteht einfach weiter. Das hängt natürlich davon ab, was im Testament vermerkt (oder nicht vermerkt) wurde.  
  • Die Löschung eines Profils kann wenige Tage bis zu mehreren Monaten dauern, das hängt ganz vom Dienst ab. Viele dieser Firmen haben nämlich ihren Sitz im Ausland und die unterschiedlichen Gesetzeslagen führen gerne mal zu einem bürokratischen Hürdenlauf. 

Was, wenn es keinen standardisierten Prozess gibt? 

  • In diesem Fall ist es ein heißer Tipp, dich an den Kund:innenservice des Online-Dienstes zu richten.  
  • Oder aber du machst dir die Mühe und rufst ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) auf und durchforstest sie mit der Suchfunktion nach Wörtern wie “Todesfall” oder “verstorben”.  
  • Selbiges kannst du auch mit einer herkömmlichen Suchmaschine probieren. Einfach den Namen der Seite und “Todesfall” eingeben. Im Idealfall stößt du auf jemanden, der diesen Prozess schon durchgemacht hat und deine Fragen in einem Forum beantwortet.  
  • Außerdem waren wir schon so nett und haben ganz unten in der Quellenbox noch eine Seite verlinkt, die Infos zur Löschung von Profilen gesammelt hat. Gern geschehen! 
  • Es gibt Apps (z. B. deseat.me), die Listen von allen Accounts generieren, bei denen du dich mit einer bestimmten Email-Adresse angemeldet hast. Und hier kommt der Clou: Sie stellen auch gleich einen Link bereit, der zur Seite führt, wo du dein Profil löschen kannst, oder versenden automatisierte Mails an die verknüpften Dienste, mit Antrag zur Löschung deiner Daten. Mega praktisch! 
Für zwischendurch, falls du es vergessen solltest: Mach dir keine Sorgen, du schaffst das! Auch wenn das Leben manchmal anstrengend und kalt daherkommt. (Foto: Unsplash/Sydney Rae)

Auf der nächsten Seite begeben wir uns auf’s Profi-Level und sagen dir, wie du Hinterbliebenen ein übersichtliches digitales Erbe hinterlässt. Und auch, was zu tun ist, wenn gar keine Vorsorge getroffen wurde.

Über die Serie

Oh nein, nächstes Tabuthema auf Kollisionskurs! Als ob Krebs nicht ausreicht. Machen wir uns nichts vor: Krebs wird direkt mit Sterben, Tod und Trauer in Verbindung gebracht, auch wenn viele Krebserkrankungen gar nicht tödlich sind. Geht’s doch schließlich ums Abschiednehmen, das alte Leben loslassen.

Wer uns kennt, weiß, dass wir alles locker, aber nichts auf die leichte Schulter nehmen. Schon gar nicht das Lebensende. Scheiden tut weh, keine Frage, und den Löffel abzugeben ist nicht lustig, aber wer zuletzt lacht, soll am besten lachen. Lass uns gemeinsam ins Gras beißen! Wie, das erfährst du in dieser Serie.

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