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Gendermedizin
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One size fits all? Nicht in der Gendermedizin!

DIE Forschung, DIE Wissenschaft, DIE Technik und DIE Medizin. Lauter weibliche Begriffe und trotzdem männerdominierte Branchen. Warum das nicht fair und im schlimmsten Fall ungesund oder sogar gefährlich für andere Geschlechter werden kann, liest du hier.  

Weibliche Auto- und Beifahrerinnen werden bei Autounfällen deutlich häufiger schwer verletzt als Männer. Ein Grund dafür: Crashtest-Dummies (Puppen, die bei Autotests eingesetzt werden). Diese sind meist einem männlichen Körper nachempfunden. Dabei haben Studien gezeigt, dass man mit „Durchschnittspuppen“ Überlebenszahlen deutlich erhöhen könnte.  

Auch Herzinfarkte werden bei Frauen langsamer erkannt als bei Männern. Denn während die “klassischen” Symptome wie Stechen in der Brust oder Ziehen im linken Arm oft bei Männern vorkommen, äußert sich ein Herzinfarkt bei Frauen oft durch Übelkeit, Schlaflosigkeit oder Nacken- und Rückenschmerzen. Die Forschung und Diagnostik von Männern orientiert sich allerdings vor allem an Männern. Zudem gibt es in vielen medizinischen Bereichen weniger relevante Daten von Frauen. Diese Lücke nennt man „Gender Data Gap“ und damit diese geschlossen werden kann, ist ein weiblicher Blick umso wichtiger. 

Frau steht mit Rücken zu uns in einem Labor
Forschung wurde lange von Männern an Männern betrieben. Für eine gerechte Medizin braucht es aber ganzheitlichere Ansätze und gemischte Forschungsteams. Fotocredits: Pixabay/jarmoluk

Warum Gendermedizin nicht gleich Frauenmedizin ist

Gendermedizin (oder gendersensible Medizin) will den Einfluss des Geschlechts auf die Medizin herausfinden. Dabei geht es nicht nur um das biologische, sondern auch um das soziale Geschlecht. Denn Menschen unterschiedlicher Geschlechter haben auch unterschiedliche Voraussetzungen und außerdem nimmt das Geschlecht oft Einfluss darauf, wie Krankheiten diagnostiziert werden.  

Früher standen in der Medizin hauptsächlich  Beobachtungen und Studien von und mit Männern im Fokus. Das ändert sich nun langsam, aber sicher.  Die Gendermedizin möchte die Unterschiede von Geschlechtern in Diagnostik und Behandlung miteinbeziehen. 

Hauptgrund ist, dass das Geschlecht sich immer noch oft auf die Behandlung auswirkt. Während Frauen im Durchschnitt später ärztliches Personal für chronische Krankheiten aufsuchen, zögern Männer hingegen oft bei Psychotherapeut:innen. 

Gendermedizin ist ein wichtiger Schritt hin zur personalisierten Medizin.

Auch bei Medikamentenzulassungen werden immer noch viele Unterschiede gemacht. Weil Studien öfter an Männern durchgeführt werden, zeigen sich meist erst in der Verwendung die Unterschiede, zum Beispiel erhöhte Nebenwirkungen oder andere Wirkungen bei Frauen.   

Weil in der Medizin lange der Mann als Standard galt, rückte die Gendermedizin erst in den letzten Jahren mehr ins Bewusstsein der Forschung und der Gesellschaft. Und das obwohl sie ein so wichtiger Schritt hin zur personalisierten Medizin ist.  

Diese soll die individuellen Eigenschaften der einzelnen Patient:innen beachten und in Diagnose, Therapie und Prävention von Krankheiten miteinbeziehen, um die bestmögliche Behandlung zu erreichen.  

Übrigens: Wir wissen natürlich, dass es mehr als nur zwei Geschlechter gibt. Viele Passagen dieses Textes sprechen aber von Männern und Frauen, weil diese Unterschiede am besten belegt sind. Gendermedizin soll jedoch alle Geschlechter ansprechen, also auch nicht-binäre oder diverse Personen. Eine Erklärung der Geschlechter nicht-binär und divers findest du in unserem Lexikon. 

Auf der nächsten Seite erklären wir dir, warum Zulassungsstudien noch immer problematisch sind und wie unterschiedlich Medikamente auf die Geschlechter wirken.

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