13 min
Manuel Rubey
13 min

„Humor passiert in der Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit“

Wenn man auf der Bühne steht, performt und in eine andere Rolle schlüpft, hat man das Ziel, die Zuseher abzuholen, zu begeistern, den Alltagsstress vergessen zu lassen und sie zum Lachen oder Weinen zu bringen. Bevorzugt vor Freude natürlich. Manuel Rubey [aɪ̯] schafft das. Wir haben mit dem österreichischen Schauspieler und Kabarettisten über Humor, Kindheitserinnerungen und Depressionen gesprochen und wie man auf die Idee kommt, einen Krebskranken spielen zu wollen. In einem persönlichen Interview mit ganz viel Abstand. Das etwas andere Porträt. Via Zoom.

Manuel „betritt“ den Zoom-Raum. Die Freude über das Zoomen mit einem der bekanntesten Schauspieler Österreichs ist groß. Sehr groß sogar. Es ist 10 Uhr. In Zeiten von Corona mag das für den ein oder anderen früh sein. Offensichtlich nicht für Manuel Rubey, der von Sekunde eins in die iPad Kamera grinst. Der anfängliche Bildausschnitt aus der Froschperspektive gibt wenig von seinem Umfeld preis. Manuel trägt schwarz. Es fällt auf, dass ein essentielles Accessoire fehlt. Fast ein Markenzeichen könnte man meinen. Manuels Brille. Heute scheinbar durch Kontaktlinsen ersetzt. Die weiße Wand im Hintergrund ist prominent und stilvoll mit Poster, Band-Cover und einem Bild eines Tigerkopfes bestückt, alles schön ordentlich eingerahmt und angeordnet.

Anfängliche Technikschwierigkeiten bringen den lässigen Wiener, im Vergleich zu uns Kurvenkratzern, nicht aus der Ruhe. Er trinkt einen Schluck. Eine Weiße Emaille Tasse mit zwei roten Herzen darauf. Angeordnet wie zwei Brüste. Das gefällt uns. So bunt wie wir. Und wie unsere Tassen. „Blumen, Sterne, alles da“, sagt er und lächelt. Off to a good start.

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„Ein Restrisiko von Humor ist, dass man sich auch im Ton vergreifen kann. Man muss es aber riskieren. Wenn es nach hinten losgeht, muss man sich eben entschuldigen und die Schnauze halten.“ – Manuel Rubey. Foto: Barbara Majcan

Humor. Ein Phänomen, das uns zum Menschen macht.

„Jetzt hab ich noch meine Kopfhörer in den Tee reingehalten, also wenns läuft dann läufts.“ Manuel lacht. Alle amüsieren sich. Es wird gescherzt über einen Kurzen im Kopf und dass man dann wenigstens aus Dänemark, Wien und Salzburg schnell die Rettung rufen könne. Man merkt: er kann über sich selber lachen. Als Kabarettist fast unvermeidlich. Wenn man Manuel auf Google sucht, ist er erstmal Sänger. Das ist er auch, allerdings nicht hauptberuflich. Das Kabarett und die Schauspielerei haben es ihm doch mehr angetan. Der Schlüsselmoment war bereits in seiner Kindheit, als sein Bruder bei einem Stummfilm vor lauter Lachen aus dem Sessel gefallen ist. „Ich dachte mir, was passieren muss, dass man sowas bei Menschen erreichen kann.“, sagt er. Seitdem forscht Manuel daran. Bis heute.

„Wenn das Lachen mal aufhört, wird es wirklich dunkel.“
Manuel Rubey

„Wie ein kleiner Orgasmus.“

Manuel besuchte die Waldorfschule, hatte keinen Fernseher, langweilte sich oft und konnte mit gleichaltrigen Kindern wenig anfangen. Auf die Frage, welchen Stellenwert Humor in seinem Leben hat, antwortet er mit: „Ohne Humor geht glaub ich gar nix, nicht nur beruflich, sondern auch privat. Das Lachen und die Fähigkeit Geschichten zu begreifen und weiterzuerzählen, sind Phänomene, die uns zum Menschen machen.“ Humor sei die beste Waffe, auch in Krisenzeiten, so Manuel. „Wenn das Lachen mal aufhört, wird es wirklich dunkel.“ Der Belohnungseffekt, wenn eine Pointe sitzt, sei für Manuel wie ein kleiner Orgasmus, erzählt er und schmunzelt.

Lachen ist befreiend, spendet Hoffnung und kann zu Gesundungsprozessen führen. Aber was passiert eigentlich wenn wir lachen? Bei einer Krebsdiagnose kann Humor dabei helfen, die eigene Situation aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Beim Lachen empfinden wir subjektives und biologisches Wohlbefinden. Die kurzzeitigen Veränderungen im Hormonhaushalt können sogar so stark sein, dass sie Schmerzen lindern.

Beim Lachen…

…nimmt die Lunge viel Luft auf. Somit gelangt mehr Sauerstoff in unsere Blutbahnen. Für kurze Zeit ist der Organismus sehr aktiv und unser Stoffwechsel wird angeregt.

…werden vom Kopf bis zum Bauch rund 300 Muskeln angespannt, im Gesicht alleine rund 17

…wird unser Atem stoßartig mit 100 Stundenkilometern aus der Lunge gepresst.

…wird das Immunsystem angeregt und neue Antikörper gebildet.

…werden Glückshormone (Endorphine) produziert, die in die Blutbahn gelangen. –> unsere Stimmung steigt.

…wird die Ausschüttung des Stresshormons Adrenalin unterdrückt

Für welche Rolle Manuel blank ziehen musste, erfährst du auf der nächsten Seite.

Über die Serie

Stark sein? Runterschlucken? Das Schicksal ertragen? Wir von Kurvenkratzer bekommen latenten Brechreiz, wenn wir derartige Sprüche hören. Und warum flüstern wir, wenn wir über Krebs reden? Ja, Krebs ist in unserer Gesellschaft leider noch immer ein Tabu. Studien zufolge trifft aber jeden zweiten Menschen im Laufe seines Lebens eine Krebserkrankung. Krebs ist also alles andere als eine gesellschaftliche Nische.

In unseren Interviews sprechen wir mit Menschen, die Krebs am eigenen Leib erfahren haben oder nahe Betroffene sind. Wir reden mit ihnen über den Schock, den Schmerz, Hilfe zur Selbsthilfe, Humor und Sexualität, sowie darüber, wie es gelingt, Mut und Hoffnung zu finden. Damit möchten wir dich motivieren: Wenn du das Gefühl hast, über deine Erkrankung sprechen zu wollen, dann tu es. Du bist nicht allein.

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