12 min
Wiedereingliederung & Co
12 min

Wie dein Post-Krebs-Körper dich besser macht

Nach dem Krebs ist vor der Wiedereingliederung. Und dazwischen der nicht zu verachtende Genesungsprozess – nervig, ja. Aber auch die Chance, dich und deine Hülle so richtig kennenzulernen. Ein neues, lang ersehntes Kapitel beginnt… und wir zeigen dir, worauf du dabei achten solltest, und welche Tücken die sogenannte “Rekonvaleszenz” bereithalten kann.

Der Krebs ist dahin, meint der Arzt und gratuliert dir herzlichst. „Wir sehen uns in ein paar Monaten zur Nachuntersuchung“. Und schwups, ist das Krankenhaus nur noch ein nostalgischer Ort der Bewältigung. Geschafft! Urkunde gibt’s leider keine. Und da stehst du nun: endsglücklich und so müde wie noch nie, vor dem nächsten Lebens-Abschnitt. Und der soll möglichst wenig mit Gevatter Tod zu tun haben. Aber der Krebs prägt dich, und wird es weiterhin tun. Feiern würdest du gerne, aber der Körper ist langsamer als das Hirn. Irgendwie schafft er es immer noch nicht in den nächsten Gang. Aber alle warten gespannt darauf – das Happy End. „Endlich wieder volle Kraft voraus, was Lotte?“ Mitnichten. Die Entlassung in den Alltag birgt die ein oder andere Hürde. Du willst Intensität, Lieben und Leben wie vor dem Gekrebse…und Bam! Zurück ins gute alte Bett. Ein Schritt vorwärts, zwei Schritte zurück. Wenn du jetzt verwirrt bist, keine Angst! Ist alles „normal“, auch die Ungeduld. 

Tückisch gibt es sich zu Anfang, das Leben nach dem Krebs. Aber es ist eine Chance, zu lernen. Über dich, deine Bedürfnisse, deinen Körper, Energiehaushalt, Freunde, Nicht-Freunde. Freu dich, dein Individualisierungsprozess ist im vollen Gange. Wenn du gedacht hast, die Arbeit ist vorbei -Ttja, ähm, tut uns leid, is nich so. Aaaber: Rekonvaleszenz ist die vielleicht letzte Phase dieses Krebs-Konundrums. Und danach wirst du dich und deinen Körper garantiert besser kennen als je zuvor. Stopp. Hä? Rekonvaleszenz? Noch nie gehört?  No Problemo, deswegen bist du ja hier. Unsere Checklist weiß Bescheid.  

Leben Nach Krebs Pexels Chermiti Mohamed
Winter adé, Scheiden tut weh. Foto: Pexels/Chermiti Mohamed

Rekonvales-daswortmussmanerstmalsagenkönnen-zenz

Das Wort der Stunde, der Prozess hin zur endgültigen Wiederherstellung: Das ist die  Rekonvaleszenz. Latein für wieder stark werden. Und so viel darfst du dir eingestehen: Du hast schon so viel geschafft – du bist bereits stark. Diesen letzten Schritt, den kriegst du auch noch hin, kein Zweifel. Es ist wie Anfang März, wenn man weiß, dass der Frühling vor der Tür steht, der Winter sich aber noch hartnäckig hält. Schwäche, Schwindel und Schmerzen verschwinden nicht einfach von einem Moment auf den anderen, nur weil der Arzt dir die langersehnten Wörter geflüstert hat.  

Nein, alles passiert nach und nach. Stell’s dir so vor: Der olle Krebs hat deine Akkukapazität eingeschränkt, und jetzt musst du jeden Tag dafür arbeiten, dass dieser Akku wieder mehr Fassungsvermögen hat. Das heißt anfangs ist dein Energiehaushalt noch nicht so groß, du überschreitest deine Grenzen recht bald und suchst das Bett als Zufluchtsort. Aber Schritt für Schritt lädt sich dein Akku wieder auf und hat schon bald die Kapazität, die dein Kopf sicherlich längst verlangt. Das ist die Genesung, das ist die Rekonvaleszenz (Ja, wir finden das Wort auch zu kompliziert). Unsere Oberkurvenkratzerin Martina hat ihren persönlichen Genesungsprozess zu Papier gebrachtcheck it out!  

Wie du aus dem Chemonebel joggst 

Dass die Chemotherapie Nebenwirkungen mit sich bringt, müssen wir dir wohl nicht mehr sagen. Die meisten davon sind körperlicher Natur. Dein Hirn kriegt auch eine gehörige Dosis ab. Je länger und intensiver die Chemo dauert, desto dichter wird der Nebel – diese Beeinträchtigung deiner Merkfähigkeit und Konzentration. Du fühlst dich langsam, kannst nicht mehr gleichzeitig kochen, telefonieren, die Katze wegscheuchen und jonglieren.  

Sieben von zehn Chemopatient:innen erfahren diese Benebelung. Was also dagegen tun? Pillen gibt’s keine, idiotensichere Hausmittel auch nicht. Dr. Kawashima empfiehlt Gehirnjogging! Entstaub deinen Nintendo DS und lös mit deinem Stylo Sudoku. Beschäftige dich mit kniffligen Rätseln, mach Koordinationsübungen – alles was eben Konzentration abverlangt kann dein Gehirn resistenter gegen den Nebel macht. Der Rest ist –  wie so oft – Balance. Regelmäßiger Sport, gesund essen und entspannen. Alles was dem Körper hilft, hilft auch dem Hirn. 

Wie dein Post-Krebs-Körper dich besser macht
Der dichte Nebel der Vergesslichkeit. Foto: Pexels/Andrew Neel

Die Energiewaage 

Krebs sensibilisiert, lustigerweise. Vor der Erkrankung war es vielleicht noch nicht so offensichtlich, aber nun merkst du sofort, wenn dir etwas die hart errungene Energie raubt. Gewisse Freunde werden zu einem energetischen Risikofaktor. Andere wiederum strahlen wie eine nukleare Sonne Gratis-Power in dein Leben. Kurzum: Alles und jeder wird evaluiert, auf die unversöhnliche Energiewaagschale gelegt.  

Dem Selbstrespekt gebührt nun ein neuer Stellenwert. Auf praktisch übersetzt heißt das: Nimm dir Zeit für dich, triff nur Freunde, die dir gut tun. Verbringe möglichst viel Zeit in der Natur. Lerne „Nein“ zu sagen, den Moment zu genießen, Dankbarkeit zu hegen, Konflikte möglichst zu meiden (die meisten sind eh unnötige Noise), keine Nachrichten zu schauen (Sorgenquelle Numero uno), und schlussendlich (wer hätte das gedacht): Sport. Akzeptiere die Schmerzen, und die Müdigkeit – für den Moment sind sie ein Teil von dir, und gegen sie anzukämpfen verbraucht bloß noch mehr Energie.   

Auf der nächsten Seite erfährst du alles über die Wiedereingliederung!

Über die Serie

Eine Krebsdiagnose schlägt wie ein riesiger Meteorit in das Leben von Betroffenen und Angehörigen ein. Wer damit konfrontiert wird, weiß im ersten Moment nicht, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Das ist komplett normal. Bisher schien alles so toll in geradlinigen Bahnen zu verlaufen. Nun sind vom einen auf den anderen Tag die Prioritäten total verschoben.

Kurvenkratzer reicht dir mit dieser Checklisten-Serie Tipps für die Bewältigung des Schocks. Wir haben praxiserprobte Hilfestellungen für die häufigsten Situationen während einer Krebserkrankung für dich auf Lager – vom medizinischen Gespräch bei der Diagnosestellung bis zum Reha-Aufenthalt in der Nachsorgephase. Und wir geben Impulse, wie dir ein achtsamer Umgang mit der Erkrankung gelingt.

Bitte beachte: Krebs ist höchst individuell. Die auf diesen Seiten enthaltenen Informationen stellen keine verbindliche und vollumfängliche medizinische Auskunft dar. Bitte berate dich betreffend deiner Therapieentscheidung jedenfalls mit deiner Ärztin oder deinem Arzt. Kurvenkratzer übernimmt keine Haftung für Fehlbehandlungen.

Jetzt teilen