Wasserstoffperoxid – umstrittener Alleskönner
Essenziell für die Herstellung von Torpedos, pickeldesinfizierend und verantwortlich für die gefürchteten grauen Haare – Wasserstoffperoxid aka H2O2 hat es in sich. Das Comeback der einfachen Verbindung.
In den Reihen der chemischen Wundermittel wie Natron und Soda tanzend finden wir auch Wasserstoffperoxid – oder melodischer: H2O2 – vor. Seit ca. 200 Jahren hergestellt und gerne mal in Vergessenheit geraten, ist es Zeit für ein Comeback der einfachen Verbindung. Die eine Person, die immer zum guten, alten ‘Peroxid gehalten hat, war Oma. Ganz oben im Arzneischrank hat sie dem Fläschchen mit der Aufschrift H2O2 einen Ehrenplatz eingeräumt. Sie meinte schon immer, dass es günstig, effektiv und unverzichtbar ist – du musst es nur in dein haushaltendes Herz schließen.
Die obligatorische Chemiestunde
Bevor wir euch zeigen, was ihr alles damit anstellen könnt, ist es wohl wichtig zu wissen, was drin ist. Also, bringen wir die Chemiestunde hinter uns: Die Formel beschreibt Wasserstoffperoxid schon sehr treffend: H2O2 = Wasser + Sauerstoff. So weit, so einfach. Optisch ist die Flüssigkeit kaum von normalem Wasser unterscheidbar, denn sie ist farb- und fast geruchlos. Genauer gesagt ist Wasserstoffperoxid sogar farb- und geruchsbeseitigend, aber dazu später mehr. Jedenfalls munkelt man, es riecht nach Ozon (aber wer weiß schon, wie Ozon riecht). Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass das natürlich vorkommende Wasserstoffperoxid in Regenwasser und Schnee zu finden ist, weil es in der Luft aus atmosphärischem Ozon gebildet wird. Wir Menschen stellen Wasserstoffperoxid aber künstlich her.
Wie im Namen schon enthalten, haben wir es mit einem Peroxid zu tun. Dahingehend kann ein bisschen Aufpassen nicht schaden, denn je nachdem, wie stark das Peroxid mit Wasser verdünnt ist, wirkt es reizend oder ätzend auf Haut, Schleimhaut und Atemwege. Aber keine Sorge: Die im Haushalt gebräuchlichen Mischungen sind stark verdünnt und ungefährlich. Aber auch wenn die Lösung nur 3-10% des Mittels enthält, solltest du Augenkontakt vermeiden und die Packungsbeilage lesen, bevor du es auf die Haut aufträgst. Unter der Haut stellt sogar unser eigener Körper diese Substanz her!
Farben und Flecken weg – Bleichmittel
Forschungen haben vor nicht allzu langer Zeit ergeben, dass die Graufärbung der Haare im Alter die Folge eines geringen Abbaus von Wasserstoffperoxid in den Haaren ist. In diesem Fall ein natürliches Bleichmittel, in anderen Fällen ein künstliches Bindemittel: Denn es löst je nach Konzentration deine natürlichen Farbpigmente aus dem Haar und schleust dann die gewünschte Haarfarbe in das Haarinnere. Dadurch kann die Haarfarbe fest in der Haarstruktur verankert werden und wäscht sich nicht heraus.
Das nächste Mal, wenn du dir die Haare färbst und auf die Rückseite der Verpackung schaust, wirst du ziemlich sicher Wasserstoffperoxid vorfinden. Selbiges lässt sich auch über Zahnpasta sagen, denn um die Zähne wieder weiß erstrahlen zu lassen, schleusen Colgate & Co das Wundermittel furchtbar gerne ein.
Wurde dein Haus vom bösen Schimmel befallen? No problemo – Captain H2O2 ist zur Stelle und zieht das ganze Programm ab: Tötet die Sporen, desinfiziert die aktiven Pilzzellen und wirkt im Nachhinein auch noch kosmetisch, indem er die unschönen Rückstände wegbleicht. Am Ende des Artikels zeigen wir euch, wie das geht. Also, Fakt ist: Alle profitieren vom guten `Peroxid – sogar eure alte Wäsche. Die Lieblingsklamotten vergilbt durch exzessives Tragen? Keine Sorge, auch das lässt sich bleichen.
Viren und Bakterien weg – Desinfizierung
Wasserstoffperoxid ist ein tadelloses Desinfektionsmittel, denn wie wir schon wissen, ist es nicht nur antibakteriell und antiseptisch, sondern auch geruchsbeseitigend. Perfekt also als Reinigungsmittel, vor allem für Wunden, Kühlschränke, Küchenarbeitsplatten oder das Bad – und deine Visage. Also, alle Pubertierenden aufgehorcht: Werft das Clearasil weg, her mit dem ollen Wasserstoffperoxid und weg mit Pickel, Akne & Konsorten. Nur leider ist Wasserstoffperoxid nicht catchy genug – kein Wunder, dass es sich nicht so gut vermarkten lässt. Und wenn es schon um nervige Körperauswüchse geht – Ohrenschmalz beseitigen mit einer konzentrierten Lösung ist um einiges gesünder als mit den ach so beliebten Wattestäbchen. Die Anleitung dazu findest du ebenfalls am Ende des Artikels.
Verfügbarkeit von Wasserstoffperoxid?
Und jetzt stellt sich nur noch die kommerzielle Frage: Wo bekomm ich diesen Alleskönner her? Das Internet hat immer eine Antwort – sonst sind Apotheken die Dealer deines Vertrauens. In jedem Fall bekommst du Konzentrationen bis zu 12 Prozent. Das sollte die hier beschriebenen Verwendungszwecke abdecken. Alles darüber ist nur unter bestimmten Voraussetzungen erwerbbar. Aus guten Gründen, denn das Zeug ist unverdünnt gar nicht so ungefährlich. Solltest du einer Apothekerin erzählen, du willst 85-prozentiges Wasserstoffperoxid, so hätte sie Grund zur Annahme, dass du einen Torpedo für dein U-Boot bauen willst. Aber bevor du das schaffst und deine diabolischen Pläne umsetzt, wird sich der Stoff wahrscheinlich zuvor spontan entzünden. Also Obacht!
So vereinfacht H202 deinen Alltag
Verwende dazu die typische Dreiprozentlösung. Handschuhe und Mundschutz sind empfehlenswert, allein schon wegen dem Schimmelpilz. Sprühe dann die Lösung auf die verunreinigte Oberfläche lasse sie für ein paar Minuten einwirken. Anschließend reinigst du die besprühte Oberfläche mit einem Tuch und warte nun, bis die Stelle wieder trocken ist. Damit der Schimmel vollständig verschwindet, musst du diesen Prozess wahrscheinlich ein paar Mal wiederholen.
Klar, es ist angenehm, aber das Wattestäbchen ist bei weitem nicht die beste Methode, deine Ohren zu putzen – Wasserstoffperoxid hingegen schon. Das kann dein Ohrenschmalz nämlich aufweichen. Auch hier verwendest du eine dreiprozentige Lösung, von der du dann ein bis zwei Tropfen in dein Ohr träufelst. Falls es in deinem Ohr plötzlich so knistert, als würde jeden Moment ein Feuerwerkskörper zünden, no worries: alles normal. Das ist bloß die Schaumbildung. Nach etwa zehn Minuten Einweichzeit kannst du den Schmalz ganz easy aus deinem Ohr rausfließen lassen.
Ja, es gibt bessere Mittel zur Desinfizierung von Wunden, aber Wasserstoffperoxid ist gerade bei kleineren Wunden sehr nützlich, da es die Blutung stoppt, eine Infektion der Wunde vereitelt und die Heilung beschleunigt. Einfach die verdünnte Lösung auf ein Taschentuch geben und vorsichtig auf die Wunde auftupfen. Keine Angst – Wasserstoffperoxid hat den großen Vorteil, dass es nicht brennt. Kleiner Wehrmutstropfen: Es kann den Wundheilprozess leicht verlangsamen. Deswegen die Wunde am besten nur einmal auswaschen. Ah, und nicht bei Verbrennungen anwenden! Das entzündet die betroffene Stelle nur weiter.
Und wenn dein Spross mit geschwollenen Körperteilen schreiend aus dem Garten rennt, weil er sich mit einer Wespe gebattlet hat, dann – du weißt Bescheid – begib dich zu Oma’s Arzneischrank und trage verdünntes H2O2 auf die Wunde des kleinen Kriegers auf. Es stoppt sofort den Juckreiz bei Insektenstichen und neutralisiert auch noch das Gift durch Oxidation! Selbst die gefürchteten Hornissenstiche schwellen schnell ab und heilen. Bei Zeckenbissen übertragene Toxine werden ebenso entgiftet, vorausgesetzt du schaffst es, das H2O2 möglichst schnell aufzutragen. Das ist aber kein Freifahrtschein – natürlich solltest du trotzdem beobachten, ob sich die bekannten Symptome der Borreliose zeigen.
Seien es deine Küchenarbeitsflächen, das Schneidbrett (Bakteriensammelplatz #1), oder der müffelnde Kühlschrank. Alles lässt sich mit einer dreiprozentigen Mischung in einer Sprühflasche reinigen. Warte bloß 2-3 Minuten und wisch dann ab. Großer Vorteil: Auch unangenehme Gerüche verschwinden so im Nu.
Deine Textilien haben auch etwas von der Bleichfähigkeit des Wasserstoffperoxids. Rotweinflecken sind ja bekanntlich besonders hartnäckig: Wenn du aber Wasserstoffperoxid mit Spülmittel kombinierst und so eine Mischung herstellst, die du auf die Flecken aufträgst, sollten auch diese kein Problem mehr sein. Kurz einwirken lassen und anschließend mit warmem Wasser auswaschen. Ein ähnliches Prozedere lässt sich auch auf Blut- und Deoflecken anwenden. Bei Deoflecken aber eine Stunde warten und mit kaltem Wasser rauswaschen, und bei Blutflecken die Abfolge ein paarmal wiederholen.
Tschau Akne, Herpes, Hautpilz, Insektenstiche und alle anderen nervigen und entzündlichen Hauterkrankungen – die legendäre Dreiprozentlösung geht euch jetzt an den Kragen! Tupfe die Verdünnung einfach mehrmals täglich auf die beeinträchtigte Stelle und hoffe auf möglichst schnelle Ergebnisse.
Du kannst aus Wasserstoffperoxid und Backsoda ganz easy eine Paste herstellen. Wozu? Zum Bleichen natürlich. Wenn du ständig Kaffee trinkst und Zigaretten rauchst, kann sich das jugendliche Weiß schnell mal in ein altbackenes Gelb färben. Um diesen ungeliebten Prozess umzukehren, nimm einige Teelöffel Backsoda, gib es in eine Schale und füge nach und nach zwei- bis dreiprozentiges H2O2 hinzu, bis eine schön dickflüssige Paste entsteht. Mit dieser Mischung kannst du dann täglich deine Beißerchen putzen, bis sich nach ca. 4-6 Wochen erste Resultate einstellen. Kleiner Bonus: Wasserstoffperoxid beruhigt gereiztes Zahnfleisch. Und wenn du auf Selbermachen keinen Bock hast: Jede dritte Supermarktzahncreme ist mit H2O2 ausgestattet.
Auch sehr interessant: Wasserstoffperoxid kann Gifte neutralisieren. Erfahrungsberichte zeugen von seinem Nutzen bei schweren Ausschlägen nach Kontakt mit giftigen Pflanzen. Damit sind auch Brennnesseln gemeint, oder anderen Pflanzen, die Nesselgifte enthalten. Und solltest du mal einem Stinktier begegnen, das keine Lust auf dich hat, lassen sich auch diese übelriechenden Sekrete mit H2O2 entgiften. Es empfiehlt sich also, erst mal alle Verletzungen, insbesondere auch tiefe und verschmutzte, mit Wasserstoffperoxid zu behandeln.
Apropos Rauchen: Wenn das in der Tat dein Laster ist und deine Nägel unschöne Farben annehmen, wirst du dich auch über diesen Tipp erfreuen: Wasserstoffperoxid – Freund aller Raucher – gibt den Nägeln ihre natürliche Farbe zurück und bringt sie auch noch zum Glänzen. Nimm einen Wattebausch, tauche ihn in die tres-porciento-Lösung und reib ganz einfach die Überbleibsel der letzten 30 Jahre Kettenrauchen ab.
Köche, hergehört! Auch ihr sollt vom alleskönnenden Dreiprozenter profitieren. Findet ihr die Verunreinigung eures Gemüses suspekt, so besprüht doch eure Papriken, Zucchinos und Tömäten mit einer Spruhfläsche, wartet 5 kurze Minuten und wascht sie dann ab.
Wer viel kocht, muss auch viel abwaschen – irgendwann ist der Schwamm (oder Lappen) dann auch nicht mehr die Instanz der Sauberkeit und müffelt außerdem gerne. Wasserstoffperoxid im Verhältnis 50/50 mit warmem Wasser vermischen, Schwamm oder Lappen reinlegen, 15 Minuten warten und gründlich auswaschen – voilá!
Deos haben mal angenehme, mal lästige Eigengerüche. Also wieso nicht lieber nach Ozon riechen? Wasserstoffperoxid macht’s wahr! Einfach die Drei-geile-Prozent-Lösung in einen Zerstäuber füllen und unter die schwitzigen Axeln damit!
Quellen zum Weiterlesen:
- Anwendungen für Haushalt, Gesundheit und Hygiene
- 20 Anwendungsbeispiele für H2O2
- Perfekte Reinigung durch H2O2
Titelfoto: Unsplash/Towfiqu Barbhuiya
Über die Serie
Putzmittel, Kosmetik oder natürliche Arzneimittel selbst herstellen? Gar kein Problem. Denn du hast wahrscheinlich alles dafür im Küchenschrank! Die Natur hat uns zahlreiche kleine Helferlein geschenkt, die bereits unserer Großeltern zu schätzen wussten – und genau die stellen wir in der Serie „Aus Omas Küchenschrank“ vor. Feier mit uns die Renaissance des Küchenschranks und erleichtere deinen Alltag mit unseren nützlichen Tipps, How-tos und Lifehacks.