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Schlafprobleme bei Krebs
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Weit weg von Nighty-tighty

Viele Krebserkrankte klagen über Schlafstörungen. Dabei wäre Schlaf so wichtig für Therapie und Lebensqualität. Welche Gründe hat schlechter Schlaf? Was tun bei Schlafproblemen? Schlaf auch du wie ein süßes Kätzchen.

Seite 2/2: Schlafproblemen zu begegnen ist ähnlich schwierig, wie sie zu verstehen. Wir haben trotzdem eine ziemlich „einschläfernde“ Checkliste für dich.

„Ich versuche, tagsüber aktiv zu sein, an die frische Luft zu gehen, damit ich abends müde bin. Ich höre nachts Schlafmeditationen. Ich trinke Nerventee. Manchmal funktioniert alles nicht und ich bleibe die ganze Nacht wach.“
– Maica, Krebspatientin

1001 schlaflose Nächte

Zettel und Stift raus, Zeit für eine Strichliste. Wie oft sagst du bei der folgenden Aufzählung ja? Hier die Top 11 der nervigsten Ergebnisse von Schlafmangel:

  1. Du bist schlecht gelaunt,
  2. unkonzentriert,
  3. müde,
  4. erschöpft,
  5. reizbar,
  6. antriebslos,
  7. frustriert,
  8. möchtest dich oft zurückziehen,
  9. hast Schuldgefühle wegen der Müdigkeit,
  10. kannst nicht langfristig planen,
  11. musst Verabredungen häufig absagen.

Das beeinträchtigt Partnerschaft sowie Privat- und Arbeitsleben.3 Unter dem Strich führt das alles nicht gerade dazu, dass dein Lächeln lockerer daherkommt. Wir verstehen das. Komm, und jetzt atmen wir gemeinsam dreimal tief ein und aus.

Mann schläft in einem Zugabteil.
Fehlender Schlaf kann auf Dauer zermürben. Sprich daher unbedingt dein Behandlungsteam darauf an. (Foto: Unsplash/Zoe Gayah Jonker)

The quantified night

Wenn wir schon bei den Strichlisten sind, erstellen wir doch gleich auch eine für die Schlafunterbrechungen. Viele Smartwatches und Tracking-Armbänder können deinen Schlaf aufzeichnen. Du musst die Option vielleicht nur noch aktivieren. Besitzt du weder das eine noch das andere, gibt es etliche Tracking-Apps für dein Smartphone.

Schlaf überwachen mit diesen Apps

Die meisten Apps überwachen deine Schlafphasen und wecken dich innerhalb eines Zeitfensters zum optimalen Zeitpunkt.

  • Pillow Schlaftracker (iOS)
  • Sleep Cycle – Schlaf Aufnahme (Android & iOS)
  • Sleep Monitor: Sleep Tracker (Android & iOS)
  • Sleep Time (Android & iOS)
  • Sleep Tracker: Schlaf Analyse (Android)

Achtung: Lässt du dich generell leicht verunsichern? Die Ergebnisse des Schlaftrackers könnten dann nach hinten losgehen. Sprich in solchen Fällen lieber vorher mit einer:einem Ärzt:in.

Manche Apps haben kostenpflichtige Funktionen, aber Gratis-Testangebote. Diesen Testzeitraum könntest du nutzen, um einen ersten Überblick über deinen Schlaf zu erhalten. Die Ergebnisse deiner Messungen verwendest du dann einfach im ärztlichen Gespräch.

Tracking statt Tagebuch

Die einen lieben es, die anderen hassen es: Tagebuchschreiben. Gehörst du zu jenen, die nicht jeden Tag den nächtlichen Schlaf und die Träume in voller Länge beschreiben wollen? Oder willst du dein Schlaftracking etwas strukturierter angehen? Dann ist ein Schlafprotokoll vielleicht genau das richtige für dich.

  • Nimm zwei Blätter A4-Papier
  • Zeichne auf der Vorderseite eine Tabelle mit sieben Zeilen, einer breiten und sieben schmalen Spalten. Beschrifte die erste Spalte mit „Abend“, die folgenden mit „Montag“ bis „Sonntag“.
  • Zeichne auf die Rückseite eine Tabelle mit neun Zeilen, einer breiten und sieben schmalen Spalten. Schreibe „Morgen“ in die erste Spalte und beschrifte die anderen Spalten wieder mit den Wochentagen.
  • Schreibe in die Zeilen der ersten Spalte die folgenden Fragen.

Fragen für das Schlafprotokoll

(adaptiert nach DSGM-Schlafprotokoll)8

„Abend“

  • Wie ist meine Stimmung? (1 „sehr gut“ bis 6 „sehr schlecht“)
  • Wie leicht/schwer ist es mir heute gefallen, den Tag zu bewältigen (Arbeit, Freizeit, Soziales usw.) – 1 bis 6
  • Wie lange habe ich tagsüber geschlafen? (Zeiten angeben)
  • Was habe ich in den letzten 4 Stunden getrunken? (Getränke und Menge)
  • Wie müde fühle ich mich gerade? (1 „sehr wach“ bis 6 „sehr müde“)
  • Wann gehe ich zu Bett?

„Morgen“

  • Wie wach fühle ich mich jetzt? (1 „sehr wach“ bis 6 „sehr müde“)
  • Wie ist meine Stimmung? (1 „sehr gut“ bis 6 „sehr schlecht“)
  • Wann habe ich vor dem Schlafen das Licht abgeschaltet?
  • Wie lange hat es bis zum Einschlafen gedauert?
  • War ich in der Nacht wach? (Wie oft, wie lange in Summe?)
  • Wann bin ich endgültig aufgewacht?
  • Wie lange habe ich in Summe geschlafen?
  • Welche Medikamente habe ich seit gestern Abend genommen?
Frau liegt auf einer Couch, durch eine Jalousie fallen Lichtstreifen auf ihr Gesicht.
Ein Schlafprotokoll, egal ob digital in einer App oder altmodisch auf Papier, hilft beim Ergründen deiner Schlafprobleme. (Foto: Unsplash/Annie Spratt)
„Eine Schlafroutine ist sehr wichtig. Ich versuche, nicht zu spät ins Bett zu gehen, damit mein Körper einen gesunden Rhythmus hat. Und nicht spät Abendessen. Die Theorie ist gut, klappt aber nicht immer.“
– Maica, Krebspatientin

Während der Krebstherapie können Nebenwirkungen von Medikamenten eine der Hauptursachen für fehlenden Schlaf sein. Kläre mit deinem ärztlichen Team, ob deine Medikation zu Schlaflosigkeit führen könnte.

Checkliste: Back to sleep

Nein, wir empfehlen nicht, Schäfchen zu zählen. (Außer es hilft dir.) Der Weg zu gesundem Schlaf ist eigentlich easy: Es braucht „nur“ Schlafhygiene. Das ist aber gar nicht so einfach. Wie du als Krebspatient:in deinen Schlaf hygienischer und somit erholsamer gestalten könntest, das verrät dir unsere Schlaf-Checkliste.

Das Schlafhormon Melatonin ist ein Freund dunkler Ecken. Deshalb zieh die Vorhänge zu und setz eine Schlafmaske auf, wenn das nicht reicht.

Es gibt sie, die optimale Schlaftemperatur. In deinem Schlafzimmer sollte es um die 18 Grad haben. Nicht mehr und nicht weniger. Achte auch auf die passende Decke.

Deine Lungen wollen atmen, auch in der Nacht. Frischluft kann dich besonders tief schlafen lassen. Schlafe bei offenem Fenster oder lüfte vor dem Schlafengehen.

Am besten kann sich dein Schlaf entfalten, wenn du im Schlafzimmer wirklich nur schläfst. Weg mit Fernseher, Laptop, Tablet, Smartphone und Co.

Ist deine Schlafumgebung laut oder schreckst du wegen lauter Geräusche hoch? Schalte störende Geräte aus, sprich mit den Nachbarn oder verwende Ohrstöpsel.

Rauchen, Alkohol, Koffein (auch: Grüner Tee) und andere Sucht- und Genussmittel solltest du einige Stunden vor dem Schlafengehen vermeiden.

Was früher beschworen wurde, schlägt oft in die Gegenrichtung aus. Kohlenhydratreiches Essen und Schlafen verträgt sich nicht.

Regelmäßiger Sport kann den Schlaf verbessern. Es kommt aber auf Zeitpunkt, Intensität und deinen körperlichen Zustand an. Manchen hilft ein kleiner Spaziergang am Abend.

Im Schlaf ruht dein Körper. Stimme ihn also darauf ein. Beruhigung ist angesagt. Vermeide zu starke Aktivität oder Aufregung vor dem Schlafengehen.

Flackerndes Licht, grelle Badezimmerbeleuchtung und blau getöntes Bildschirmlicht sind des Schlafes Feind. Schone deine Augen mit „Night Shift“ und Dunkelmodus.

Du kannst deine innere Uhr programmieren. Halte ein Ritual fürs Zubettgehen ein. Das kann eine Wärmflasche, eine Tasse Tee oder Körperpflege sein.

Läuft dein Gehirn im Galopp? Schreib auf, was dich beschäftigt (max. drei Dinge). Oft ist es stiller im Kopf, wenn die Gedanken aufgeschrieben sind.

Manche Schlafprobleme können mit unterstützender Behandlung verkleinert werden. Auch psychoonkologische Betreuung könnte helfen.

Kleiner Hund in Decke eingeschlagen sitzt auf einem Bett.
Ein allgemeingültiges Rezept für guten Schlaf gibt es nicht. Ein bewusster und zugleich gelassener Umgang mit Schlafproblemen hilft aber in jedem Fall. (Foto: Unsplash/Matthew Henry)

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Sleep it like Dornröschen

So gern wir es dir wünschen, märchenhafter Schlaf wird wahrscheinlich nicht sofort vom Himmel fallen. Vielleicht gelingt es dir mit unseren Tipps trotzdem, ruhiger zu schlafen und in der Früh besser erholt zu sein. Verzage nicht, wenn die eine oder andere Nacht alles andere als toll ist – oder dein Gehirn die ganze Nacht herumtollt.

Be sleep resilient. Neben Techniken, Tricks und Tipps für guten Schlaf braucht es auch Geduld, Annehmen der Schlafprobleme und ein liebevolles Integrieren. Es benötigt Akzeptanz, wenn untertags nicht mehr so viel geleistet werden kann, wie davor. Verkrampft funktioniert nichts. Sei liebevoll zu dir.

Sprich dein ärztliches und pflegerisches Team auf deine Schlafprobleme an. Mit der Tracking-App oder dem Schlafprotokoll hast du sie jedenfalls schwarz auf weiß dokumentiert. Wer weiß, vielleicht fällt dir sogar selbst ein Muster auf, wie du den Schlaf verbessern kannst? In diesem Sinne: Hol tief Luft und lass alles raus. Nighty-tighty!

Das Kurvenkratzer-Magazin dankt Dr. Alfred Wiater für das inhaltliche Prüfen dieses Artikels.

Mann in Hemd und Sakko.

Dr. med. Alfred Wiater ist Schlafmediziner und Schlafforscher, war viele Jahre Klinikchef und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin. Er lebt in Köln und ist wissenschaftlich tätig sowie als schlafmedizinischer Berater, Dozent und Buchautor: Schöbel/Wiater „Ticken Sie richtig? Wie Sie zu Ihrem gesunden Schlaf-Wach-Rhythmus finden“, Scorpio Verlag 2021.

(Foto: © CoellnColoer, Rechte bei Dr. Wiater)

Quellen:

  1. Schlafstörungen bei Krebspatienten. ONKO-Internetportal, abgerufen am 27.07.2022
  2. Supportive Therapie. Was hilft, wenn der Krebspatient nicht schlafen kann? ÄrzteZeitung vom 05.05.2017, abgerufen am 27.07.2022
  3. Onkologie: Schlafstörungen nach Krebs. Deutsches Ärzteblatt PP 21, Ausgabe Februar 2022, Seite 87, abgerufen am 27.07.2022
  4. Patienteninformationen Schlafstörungen. Österreichische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung (ÖGSM), Austrian Sleep Research Society (ASRA), abgerufen am 27.07.2022
  5. Schlafstörungen und mögliche Hilfestellungen für Krebsbetroffene. AHOP-News 01|2021 vom 22.06.2021, abgerufen am 27.07.2022
  6. Insomnie. Gesundheit.gv.at – Öffentliches Gesundheitsportal Österreichs, abgerufen am 28.07.2022
  7. Insomnie bei Krebspatienten. der informierte arzt 09/2013, abgerufen am 28.07.2022
  8. Standardisiertes Schlafprotokoll der DGSM (Deutsche Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin), aus: Müller, T. & Paterok, B.: Schlaf erfolgreich trainieren. 3. Auflage 2017; Hogrefe Verlag. Abgerufen am 03.08.2022

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Unsplash/Alexander Possingham

Hier geht es zu allen Kurvenkratzer-Checklisten

 

Über die Serie

Eine Krebsdiagnose schlägt wie ein riesiger Meteorit in das Leben von Betroffenen und Angehörigen ein. Wer damit konfrontiert wird, weiß im ersten Moment nicht, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Das ist komplett normal. Bisher schien alles so toll in geradlinigen Bahnen zu verlaufen. Nun sind vom einen auf den anderen Tag die Prioritäten total verschoben.

Kurvenkratzer reicht dir mit dieser Checklisten-Serie Tipps für die Bewältigung des Schocks. Wir haben praxiserprobte Hilfestellungen für die häufigsten Situationen während einer Krebserkrankung für dich auf Lager – vom medizinischen Gespräch bei der Diagnosestellung bis zum Reha-Aufenthalt in der Nachsorgephase. Und wir geben Impulse, wie dir ein achtsamer Umgang mit der Erkrankung gelingt.

Bitte beachte: Krebs ist höchst individuell. Die auf diesen Seiten enthaltenen Informationen stellen keine verbindliche und vollumfängliche medizinische Auskunft dar. Bitte berate dich betreffend deiner Therapieentscheidung jedenfalls mit deiner Ärztin oder deinem Arzt. Kurvenkratzer übernimmt keine Haftung für Fehlbehandlungen.

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