
Licht an, Fatigue aus!
Fatigue austricksen? Ja, richtig gehört. Lichttherapie ist das Zauberwort und soll beim chronischen Erschöpfungssyndrom, das oft mit einer Krebserkrankung einhergeht, helfen. Wir haben uns für dich schlau gemacht und einen ausgesprochenen Experten befragt.
Seite 2/2: Auf dieser Seite liest du, welche Formen der Lichttherapie es gibt und wie sie funktionieren.
Gleich vorweg: Es gibt verschiedene Arten der Lichttherapie mit unterschiedlichen Wirkmechanismen, Anwendungsgebieten und technischer Durchführung. Grundsätzlich handelt es sich dabei um eine physikalische Behandlungsmethode zur Therapie verschiedener Erkrankungen – vor allem in der Dermatologie, der Psychiatrie und der Schmerzmedizin. Je nach Indikation kommen unterschiedliche Lichtquellen (z. B. sichtbares Licht, UV-Licht, Infrarot) und Wellenlängen zum Einsatz.
Wir haben die gängigen Formen der Lichttherapie für dich in einer praktischen Liste zusammengefasst:
Hierbei handelt es sich um eine Anwendung von hellem, weißem Licht mit einer Stärke von 2.500 bis 10.000 Lux (meist ohne UV-Anteil) zur Behandlung von saisonal abhängigen Depressionen, Schlafstörungen oder chronischem Müdigkeitssyndrom.
→ Nicht geeignet bei bipolaren Störungen wegen der Gefahr von Manie, bestimmten Augenerkrankungen oder ausgeprägter Photosensitivität.
Diese Behandlung verwendet ultraviolettes Licht – meist UVA oder UVB – bei chronischen Hautkrankheiten wie Psoriasis (Schuppenflechte), Neurodermitis oder Vitiligo (Pigmentstörung).
→ Bei längerer Anwendung von UV-Therapien besteht ein erhöhtes Risiko der Hautalterung oder Krebsentstehung.
Hierbei handelt es sich um eine spezielle Form der Lichttherapie zur Behandlung von oberflächlichen Hauttumoren (z. B. aktinische Keratose, Basalzellkarzinom) sowie von Akne und anderen Hauterkrankungen.
Zunächst wird ein lichtsensibilisierender Wirkstoff (Photosensibilisator) auf die Haut aufgetragen oder systemisch, also im gesamten Körper, in Form einer Tablette oder per Infusion verabreicht. Nach einer Einwirkzeit erfolgt die Bestrahlung mit rotem oder blauem Licht, das die Substanz aktiviert und gezielt krankhaftes Gewebe zerstört.
→ Grenzt sich deutlich von reiner UV-Therapie oder Helligkeitstherapie ab und ist nicht geeignet bei starker Photosensitivität, bestimmten Lebererkrankungen oder bei Einnahme von lichtsensibilisierenden Medikamenten.
Das ist eine Anwendung von Wärmestrahlung zur Durchblutungsförderung, Muskelentspannung und Schmerzreduktion, z. B. bei Muskelverspannungen, Arthrose (degenerative Gelenkerkrankung) oder Sinusitis (Nasennebenhöhlenentzündung).
→ Im Gegensatz zur Photodynamischen Therapie oder UV-Therapie ist diese Therapie primär lokal wirksam und nicht auf zelluläre Veränderungen ausgerichtet.
Diese Form der Lichttherapie kommt u. a. in der Physiotherapie, Zahnmedizin oder Dermatologie zum Einsatz. Ein niedrigenergetisches Laserlicht wird verwendet, um die Wundheilung, Entzündungshemmung und Schmerzreduktion zu fördern.
Wann ist Lichttherapie nicht geeignet?
Nicht alle Patient:innen profitieren von Lichttherapie. Dazu gehören Patient:innen mit:
- Photosensitivität (z. B. bei Schmetterlingsflechte, bei genetischen Erkrankungen oder medikamentöser Lichtempfindlichkeit)
- Bipolare Störung (Gefahr von manischen Episoden)
- Bestimmte Netzhaut- oder Augenerkrankungen, insbesondere bei UV-Exposition
- Hautkrebs in der Vorgeschichte, bei unkontrollierter UV-Therapie
Die sanfte Methode der Lichttherapie
Wir beschäftigen uns in diesem Artikel genauer mit Punkt eins, der Tageslicht- oder Helligkeitstherapie: Hier werden spezielle Lampen genutzt, die ein sehr helles, weißes Licht mit mindestens 10.000 Lux abstrahlen und natürliches Tageslicht simulieren.
Die Effekte sind folgende:
- Die Zirbeldrüse (Epiphyse), die sich im Zwischenhirn zwischen den beiden Gehirnhälften befindet, stoppt die Melatonin-Produktion und du wirst wacher.
- Das Serotonin-Level steigt und deine Stimmung verbessert sich.
- Dein Schlaf-Wach-Rhythmus stabilisiert sich, wodurch du tagsüber fitter bist und nachts besser schläfst.
Schon gewusst?
In Lux (lx) wird die Beleuchtungsstärke gemessen. Sie gibt an, wie viel Lichtstrom auf eine bestimmte Fläche fällt. Mit einem sogenannten „Luxmeter“ wird Maß genommen. Eine Schreibtischlampe zum Arbeiten benötigt etwa 500 Lux Beleuchtungsstärke.
Diese Form von Lichttherapie hat sich bereits bei Winterdepressionen bewährt und zeigt vielversprechende Ergebnisse bei Fatigue-Patient:innen. Prim. Dr. Stefan Seidel, ärztlicher Direktor der Klinik Pirawarth, untersuchte gemeinsam mit einer Forschungsgruppe in seiner damaligen Funktion als assoziierter Professor an der MedUni Wien die Wirkung von Lichttherapie auf Fatigue bei Patient:innen mit Multipler Sklerose.
Und zwar im Rahmen eines PhD-Projekts an der Universitätsklinik für Neurologie der MedUni Wien und des Allgemeinen Krankenhauses Wien, gefördert von der Österreichischen Nationalbibliothek (ÖNB).

In der Studie mit 26 Teilnehmenden zeigte sich, dass tägliche Anwendung einer 10.000 Lux-Tageslichtlampe über 14 Tage hinweg die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit verbesserte und die Tagesschläfrigkeit verringerte, während eine Kontrollgruppe mit rotem Licht (<300 Lux) keine Veränderungen erlebte. Die Ergebnisse deuten auf Lichttherapie als vielversprechende, nicht-medikamentöse Behandlungsoption hin, erfordern jedoch weitere Untersuchungen.
Laut Dr. Seidel können folgende Mechanismen hinter der Lichttherapie auch bei krebsbedingter Fatigue wirksam sein: “[…] eine verbesserte Alertness/Vigilanz und letztlich eine verbesserte Aufmerksamkeit. Darüber hinaus wirkt Licht stabilisierend auf den Schlaf-Wach-Rhythmus, was sich positiv auf die Fitness tagsüber auswirkt. Ja, die Lichttherapie ist in der Therapie der Cancer-Related-Fatigue wahrscheinlich wirksam.“ (Vgl. dazu die Studie der National Library of Medicine zum Thema Lichttherapie und krebsbedingter Fatigue, den Link findest du am Ende des Artikels.)
Falls du selbst von Fatigue betroffen bist oder jemanden kennst, der sich wie ein permanent leergesaugter Akku fühlt, probier’s aus!
Es werde Licht: Was du tun kannst
Auf die Frage, worauf man bei der Anwendung von Lichttherapie im Alltag besonders achten sollte, gibt der Experte folgende Tipps, um mögliche Nebenwirkungen zu vermeiden und die Wirksamkeit zu erhöhen:
“Die Lichttherapie sollte morgens über einen Zeitraum von 30-60 Minuten angewendet werden. Kontraindikationen wie Überempfindlichkeit gegen Sonnenlicht (z. B. auch medikamenteninduziert) und Augenerkrankungen sollten berücksichtigt werden. Man sollte vor allem nicht direkt ins helle (10.000 Lux) Licht schauen.”
Wir fassen zusammen:
- Morgens anwenden – für ca. 30-60 Minuten.
- Tageslichtlampe besorgen – achte auf eine Lichtstärke von 10.000 Lux.
- Nicht direkt ins helle Licht schauen – frühstücke oder lies währenddessen.
- Dranbleiben – die Wirkung setzt meist erst nach ein paar Wochen ein.
Beachte vor dem Gebrauch unbedingt die Anwendungs- und Warnhinweise der Tageslichtlampen! Diese Leuchten sind sehr intensiv und eine zu lange oder falsche Nutzung kann zu Augenbelastung oder anderen gesundheitlichen Problemen führen. Sprich vor der Anwendung bestenfalls mit deinem behandelnden Arzt bzw. deiner Ärztin, um sicherzustellen, dass diese Form der Lichttherapie für dich geeignet ist.
Mit Licht zu mehr Energie
Fatigue ist eine fiese Energieräuberin, aber du bist ihr nicht hilflos ausgeliefert. Lichttherapie kann eine wertvolle Unterstützung sein, um dein Energielevel wieder nach oben zu schrauben. Und hey, falls du gerade unter einer dunklen Wolke sitzt – mach’s wie dein Basilikum oder deine Monstera: Dreh dich zum Licht und hole dir deine Power zurück.
Weitere Links:
- Bei Dr. Irene Fischers Institut für Tumor-Fatigue-Forschung erfährst du mehr zur Tumor-Fatigue.
- Mehr zu den genauen Symptomen des Fatigue-Syndroms kannst du auf der Website des öffentlichen Gesundheitsportal Österreichs nachlesen.
- Bei der Deutschen Krebsgesellschaft kannst du mehr über das Fatigue-Syndrom lesen.
- Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird im Doccheck Flexicon erklärt.
- Infos zur photodynamischen Therapie findest du ebenfalls im Doccheck Flexicon.
- Mehr zur Studie “Lichttherapie lindert Erschöpfungssyndrom bei MS“ findest du auf der Website der MedUni Wien.
- In der National Library of Medicine findest du die Studie zum Thema „Lichttherapie und krebsbedingte Fatigue“.
Titelbild: Unsplash/Anton Nazaretian
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Über die Serie
Fatigue – wer’s nicht kennt, hat Glück, und wer’s hat, hält erschöpft den Daumen nach unten. Diese dauerungeladene Batterie ist der ungebetene +1 auf jeder Krebsreise. Und Spoiler: Ausruhen allein hilft nicht durch den Müdigkeitsdschungel.
In unserer Serie geht’s um die volle Bandbreite der Fatigue. Was genau steckt dahinter? Wieso ist das nicht einfach nur „müde sein“? Wie unterscheidet sie sich von einer Depression? Und wie behältst du dein soziales Leben, wenn du beim Frühstück schon an Mittagsschlaf denkst? Mach dich auf Klartext gefasst: von Alltagshacks bis zu Beziehungs-Rettungsringen und jede Menge realistischer Einblicke. Hier wird nicht rumgeeiert – dafür gibt’s eine Prise Humor, weil wir wissen, dass der oft mehr hilft als jeder Ratgeber.