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Klinische Studien
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Yes Sir, I Can Study

Ein Studium für Krebsbetroffene? Nicht eines, mehrere Studien. Scherz beiseite, es geht um klinische Studien. Was klinische Studien sind, wie du als Krebspatient:in mitmachst und warum sie lohnend sein können.

Seite 2/2: Liste mit Registern klinischer Studien und Checkliste für das Gespräch mit deiner Ärztin oder deinem Arzt.

Wo finde ich klinische Studien?

Gibt es keine oder aus deiner Sicht unzureichende Therapiemethoden für deine Krebserkrankung, kannst du dich nach klinischen Studien erkundigen. Erste Anlaufstelle ist wie immer dein medizinisches Behandlungsteam. Viele Ärzt:innen wissen von aktuell laufenden Studien, die für dich geeignet sein könnten. Auch Selbsthilfegruppen und Patient:innenorganisationen könnten sinnvolle Hinweise haben. Und dann gibt es noch zahlreiche Studienregister.

Welche Infos über klinische Studien gibt es?

In öffentlichen Studienregistern sind klinische Studien gelistet, die aktuell laufen oder für die Teilnehmende gesucht werden. Kennst du die nötigen Details deiner Erkrankung (Tumorart, Stadium, Prognose usw.) kannst du dich online durch die Listen klicken. Aber beachte: In einzelnen Registern sind nicht alle existierenden klinischen Studien angeführt und manche Einträge könnten veraltet sein.

Die US-amerikanische Gesundheitsbehörde führt das größte Studienregister weltweit mit über 400.000 Studien (Stand: Mai 2022). Es hält im Vergleich zu anderen öffentlichen Studienregistern die aktuellsten Informationen und bietet eine detaillierte Suche an.

Die Studiendatenbank der Europäischen Union  listet über 40.000 Studien der Phasen II bis IV für Erwachsene und knapp 7.000 Studien für Kinder (Stand: Mai 2022). Es sind auch Studien aus dem Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) enthalten.

Die Europäische Organisation für Krebsforschung und Krebsbehandlung (European Organisation for Research and Treatment of Cancer) unterhält eine eigene Datenbank mit nur krebsrelevanten Studien.

Das Deutsche Register Klinischer Studien (DRKS) wird vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) betrieben und enthält über 13.000 laufende und abgeschlossene klinische Studien (Stand Mai 2022).

Das DKTK-Studienregister wird vom Deutschen Konsortium für Translationale Krebsforschung geführt. Es ist ein Zusammenschluss von in der Krebsforschung kooperierenden Forschenden an insgesamt acht deutschen Standorten.

Auf der Website der Arbeitsgemeinschaft Internistische Onkologie in der Deutschen Krebsgesellschaft e.V. findet sich mit der AIO-Studiendatenbank ein eigenes Register und Ansprechpartner für Fragen in den jeweiligen Arbeitsgruppen.

Krebs im Alter zwischen 18 und 39 hat eine hohe Heilungsrate. Dennoch gibt es viele Fragen zu Langzeitfolgen und geänderter Lebensgestaltung. Das Studienportal der Deutschen Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs möchte in diesen Punkten Abhilfe schaffen.

Die Nationale Auskunftsstelle zu klinischen Krebsstudien (Gesundheit Österreich GmbH, GÖG, im Auftrag des österreichischen Gesundheitsministeriums) richtet sich in erster Linie an Fachpersonal, bietet aber auch qualifizierten Patient:innen Hilfe bei der Suche nach passenden Studien.

Studien, die aktuell von der Medizinischen Universität Wien und dem Universitätsklinikum AKH Wien durchgeführt werden, finden sich im Studienregister des Comprehensive Cancer Center Vienna (über 500 Studien, Stand Mai 2022).

Der österreichische Verein zur Prävention und Therapie bösartiger Erkrankungen, Austrian Breast and Colorectal Cancer Study Group (ABCSG) führt eine Liste mit Studien zum Mammakarzinom, Kolorektalkarzinom und zu Lebermetastasen.

In der Schweiz listet die Koordinationsstelle Forschung am Menschen (KOFAM) alle klinischen Versuche (so heißen klinische Studien in der Schweiz) im Studienportal SNCTP (Swiss National Clinical Trials Portal). Derzeit sind knapp 13.000 Einträge und zusätzlich über 87.000 Studien aus angrenzenden Ländern enthalten (Stand Mai 2022).

Auf der WHO International Clinical Trials Registry Platform, dem Zentralregister der Weltgesundheitsorganisation, werden Studien weltweit aus verschiedensten Datenbanken zusammengefasst. Der Datenstand der Ursprungsländer ist auf der Startseite angegeben.

Drei Männer mit bunten Socken in verschiedenfarbigen Herrenschuhen.
Die für dich passende Studie muss individuell gewählt werden. Dein ärztliches Team hilft dir dabei. (Foto: Shutterstock/Natalia Kabliuk)

Wie nehme ich an einer Studie teil?

Hast du eine klinische Studie gefunden, von der du glaubst, dass sie für dich passen könnte, wirf einen Blick auf die Ein- und Ausschlusskriterien. Diese können sein:

  • Alter und biologisches Geschlecht
  • Krebsform und Tumorart
  • Stadium der Krebserkrankung
  • kurative (heilbare) oder palliative (nicht heilbare) Prognose
  • etwaige Vorbehandlungen
  • körperlicher Allgemeinzustand
  • zusätzliche Erkrankungen

Nun sprich mit deinem ärztlichen Team darüber. Welche Fragen du stellen könntest, wenn es um die konkrete Studienteilnahme geht, liest du im nächsten Abschnitt.

Lese-Tipp: Die selbstständige Recherche zu medizinischen Themen im Internet ist mit Vorsicht zu genießen. Deshalb solltest du dabei nur anerkannten Quellen vertrauen.

Welche Fragen stelle ich im ärztlichen Gespräch?

An einer klinischen Studie teilzunehmen, sollte wohl überlegt sein. Die Behandlung könnte im Vergleich zur üblichen Therapie risikoreicher sein. Berate dich eingehend mit deinem medizinischen Behandlungsteam und auch mit Familie und Freund:innen.

Checkliste: Smells like Study Spirit

    • Welches Ziel hat die Studie?
  • Wie ist die Behandlung bereits getestet worden?
  • Welche Vor- und Nachteile entstehen mir?
  • Welche Behandlungsrisiken gehe ich ein?
  • Mit welchen Nebenwirkungen kann ich rechnen?
  • Wie läuft die Studie im Detail ab?
  • Wo und wann wird wie behandelt?
  • Werde ich einen Krankenhausaufenthalt benötigen?
  • Wer wird die Behandlung beobachten? Und wie wird überwacht?
  • Was ist die Alternative einer Studienteilnahme?
  • Welche Verpflichtungen gehe ich mit der Teilnahme ein?
  • Wer erhält meine medizinischen Daten?
  • Wird es eine längere Nachsorgephase geben?
  • Welche Kosten entstehen mir?

Das „Kleingedruckte“

Punkt 1, die Kosten:  Es kostet normalerweise nichts, an einer klinischen Studie teilzunehmen. Allerdings könnte es sein, dass zum Beispiel Fahrtkosten nicht von der studiendurchführenden Klinik gezahlt werden. Deshalb ist es wichtig, dich im Voraus detailliert über Rechte und Pflichten zu informieren. Krankenkassen übernehmen üblicherweise keine Kosten für klinische Studien.

Lese-Tipp: Das Gespräch mit den „Göttern in Weiß“ schreckt viele. Dabei ist es im Prinzip nicht so schwer. Was im ärztlichen Gespräch zu beachten ist und wie du dich darauf vorbereitest.

Punkt 2, die Daten: Bei klinischen Studien werden Daten gesammelt. Daten über dich, deinen Gesundheitszustand. Normalerweise verbleiben die Gesundheitsdaten in Kliniken und Krankenkassen. Sie unterliegen dem Datenschutz. Für die Bewertung klinischer Studien müssen sie aber weitergegeben werden. Du kannst dir jedoch sicher sein, dass du über die Daten nicht identifiziert werden kannst (Pseudonymisierung).

Punkt 3, die Freiwilligkeit: Eine Studienteilnahme ist immer freiwillig. Du wirst erst nach schriftlicher Zustimmung aufgenommen. Und du kannst die Teilnahme jederzeit beenden. Dazu musst du keine Gründe angeben. Für die Weiterbehandlung dürfen sich keine Nachteile für dich ergeben.

Nimmst du an klinischen Studien teil, kannst du selbst dazu beitragen, die medizinische Forschung voranzutreiben. Klinische Studien sind nämlich die Voraussetzung dafür, dass neue Medikamente und Behandlungen entwickelt und letztendlich zugelassen werden können.

Yes, You Can Study

Wir gratulieren! Hast du bis hierher alles gelesen und verstanden, hast du den Studienabschluss für Studienrecherche in der Tasche. Ganz schön umfangreich das Thema klinische Studien – aber keinesfalls unbewältigbar. Wir von Kurvenkratzer sind absolut pro klinische Studien und ermutigen dich dazu. Natürlich ist eine Studienteilnahme nicht das ultimative Heilmittel. Trotzdem kann es sinnvoll sein, teilzunehmen. Dein Behandlungsteam sagt dir wie. Wieder gilt (und ja, wir werden nicht müde, zu erinnern): Egal, wie du über Krebs sprichst, Hauptsache du tust es.

Alter Kompass auf historischer Weltkarte.
Mit der Teilnahme an einer Studie kannst du selbst dazu beitragen, die medizinische Forschung voranzutreiben. Denn nur so können neue Therapien entwickelt und letztendlich für den breiten Einsatz zugelassen werden. (Foto: Shutterstock/Aris-Tect Group)

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Kurvenkratzer-Artikel wie dieser sind mit viel Liebe geschrieben. Wenn dir gefällt, was du gelesen hast, freuen wir uns, wenn du den Beitrag teilst. Du hilfst uns so, das Thema Krebs zu enttabuisieren und die Erkrankung zu entstigmatisieren.

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Quellen:

Zum Weiterlesen:

Titelfoto: Unsplash/Marten Newhall

Hier geht es zu allen Kurvenkratzer-Checklisten

Über die Serie

Eine Krebsdiagnose schlägt wie ein riesiger Meteorit in das Leben von Betroffenen und Angehörigen ein. Wer damit konfrontiert wird, weiß im ersten Moment nicht, wie mit der neuen Situation umzugehen ist. Das ist komplett normal. Bisher schien alles so toll in geradlinigen Bahnen zu verlaufen. Nun sind vom einen auf den anderen Tag die Prioritäten total verschoben.

Kurvenkratzer reicht dir mit dieser Checklisten-Serie Tipps für die Bewältigung des Schocks. Wir haben praxiserprobte Hilfestellungen für die häufigsten Situationen während einer Krebserkrankung für dich auf Lager – vom medizinischen Gespräch bei der Diagnosestellung bis zum Reha-Aufenthalt in der Nachsorgephase. Und wir geben Impulse, wie dir ein achtsamer Umgang mit der Erkrankung gelingt.

Bitte beachte: Krebs ist höchst individuell. Die auf diesen Seiten enthaltenen Informationen stellen keine verbindliche und vollumfängliche medizinische Auskunft dar. Bitte berate dich betreffend deiner Therapieentscheidung jedenfalls mit deiner Ärztin oder deinem Arzt. Kurvenkratzer übernimmt keine Haftung für Fehlbehandlungen.

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