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Davids bunte Hirnausdünste
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Die Ode an das Leben und die Farben

Das Farbspektrum ist symbolisch für die Vielfalt des Lebens. Nicht jede:r muss alle ausprobieren, aber eine Farbe zu ignorieren, ist selbstbegrenzend. Was folgt, sind zwei Versuche, die Wichtigkeit der Lebensfarben mit Leuchtmarkern zu highlighten – von einem Menschen, der vor hat, alle auf der eigenen Haut zu erleben.

Mir wurde aufgetragen, eine Ode an das Leben und die Farben zu schreiben. Primär, um einen trashigen Social-Media-Post zu komplementieren, aber vielleicht auch, weil ich nicht anders kann, als unentwegt Schritte vor-, rück- und seitwärts zu gehen. Soll heißen, dass es meine Aufgabe auf dieser Ellipse zu sein scheint, das Spektrum an Lebensfarben kennenzulernen.  

Meine Identität ist fix, ich bin ich. Alles andere ist flexibel. An meinem eigenen Beispiel möchte ich in dieser verkorksten Ode nun darstellen, warum es so unglaublich wichtig ist, jeder Farbe des Lebens früher oder später Aufmerksamkeit zu schenken, warum du bestimmte Farben nicht ignorieren solltest, nur weil sie dir nicht so sehr gefallen wie andere.

Bild des Autors David Splitt

Huh, wer schreibt hier? Ich – David, Verfasser eurer Lieblingsartikel. Was ich so mache? Am liebsten bin ich neugieriges Kultur-Chamäleon und ziehe solo mit der Hängematte freiheitsschwanger durch irgendwelche fremdartigen Landschaftsmassen und unterhalte mich frühmorgens in Körpersprache mit georgischen Kartoffelbauern. Am zweitliebsten schreibe ich Songs, singe, jamme, frickel die Gitarre, und organisiere Konzerte für die Wiener Indie-Szene. Am drittliebsten schreibe ich lustige Wörter in Worddokumente, aus Gründen oder Nicht-Gründen, für gesponserte Zwecke oder pure Selbstgefälligkeit. Hier bei den kratzenden Kurven habe ich nun einen verdammt guten Grund, sowie Zweck gefunden, das Metaversum Internet mit ein paar Wörtern mehr zu füllen.

Disclaimer: Mir ist bewusst, dass nicht jede:r diesen erlebnis- und “fehler”intensiven Lebensstil will oder kann. Deswegen mache ich das ja stellvertretend für euch und knalle euch einen lustigen Artikel vor die Augen. Gern geschehen!

1. „Fehler“ als Farbmischer

Die Zwei Oden Ode_header

Meine Art zu lernen ist es, ohne große Überlegung vorzupreschen, dreitausend “Fehler” zu machen und die daraus gewonnen Erkenntnisse über mich und meine Umwelt in meine Farbpalette aufzunehmen. Dann stelle ich mich in einen neuen Windkanal und schaue, was mir da so entgegenweht. Jedes Mal picke ich mir Farben heraus, die mir gefallen, mich besser machen, und sich vor allem echt und authentisch anfühlen. Das mache ich so lange, bis ich merke, dass alle Farben miteinander harmonieren. 

Es ist bei weitem kein einfaches Leben, besonders weil ich am laufenden Band Dinge “falsch” mache und mir nicht immer dafür vergeben kann. Aber zumindest erlebe ich viel, merke immer früher, wann es Zeit ist, Spur zu wechseln.

Fünf Pinsel voller Farbe
"Das Leben ist ein weißes Blatt, die Farben sind in dir. Male es schön bunt und leuchtend" - Jochen Mariss (Foto: Unsplash/Rhondak Native Florida Folk Artist)

Dann berichte ich von meinem Prozess, sodass auch andere daraus lernen. Und eine Sache kristallisiert sich immer mehr heraus: Je mehr ich erlebe, je mehr ich falsch mache, je mehr mir passiert, desto mehr merke ich, wie scheißviele Farbmischungen es gibt, wie viele Arten und Weisen zu leben, wie wenig ich weiß und wie sich die Lebenslust jedes Mal vergrößert, wenn sich ein neues Abenteuer auftut.  

Das Fehlermachen wird allmählich zu einem genussvollen Prozess, in dem ich mich nicht mehr allzu ernst nehmen muss. Ach, das erinnert mich – darüber hab ich mal einen ganzen Absatz geschrieben, in diesem Artikel darüber, wie 2023 zu einem geilen Jahr wird. 

Conclusio: Der Mut zum Fehler lässt dich die Vielfalt der Farben erkennen.

Die Zwei Oden Ode_header

Die Essenz dieses Kapitels könnte auch sein: Dualität ist Leben. Yin & Yang und so. Weiß kann nicht ohne Schwarz, Gut nicht ohne Böse. In jedem dunklen Loch lebt ein Lichtblick und in jeder Lichterburg haust ein dunkler Schatten.  

Ich bin überzeugt davon, dass es einer der größten Life-Lessons ist, Dunkelheit nicht zu ignorieren, sondern im Gegenteil, sich ihr zuzuwenden und ihr Aufmerksamkeit zu schenken. Der Endgegner auf dem Weg zu unkonditioneller Liebe ist dein Schatten. Jede:r von uns hat eine dunkle Seite. Machst du dir diesen teuflischen Teil deiner selbst bewusst, spürst ihn im echten Leben wirken, und im psychischen Untergrund rumoren, so bestrahlst du den Schatten mit Licht und er löst sich allmählich auf. Das ist ein lebenslanger, intensiver Prozess. Erwarte keine Geschenke. 

Ich bin mittendrin, spüre die Schwere und die Leichtigkeit gleichermaßen und habe keinen Zweifel daran, dass ich umso mehr wachse und mich ultimativ erleichtert fühle, wenn ich es irgendwann eventuell vielleicht möglicherweise schaffe, dieses hartnäckige Nachtschattengewächs zu jäten.

Conclusio: Belichte deinen Schatten.

Frau, auf dessen Rücken Schwarz und Weißes Licht projiziert wird
Wer zugleich seinen Schatten und sein Licht wahrnimmt, sieht sich von zwei Seiten, und damit kommt er in die Mitte. (Foto: Unsplash)

3. Ultraviolett & Infrarot – Die Extreme

Ultraviolett & Infrarot-Überschrift, Mann steht auf Bergspitze (Foto: Canva/David Splitt)

Die fransigen Enden deiner Möglichkeiten sind wundersame Orte. Es gibt Leute, die leben ausschließlich in Extremen, es ist ihr Lebenselixier und sie würden lieber sterben als ein durchschnittliches Dasein zu fristen. Für die meisten von uns Normalsterblichen ist das zwar keine gesunde Option, aber wenn du den Grenzgebieten hin und wieder einen Besuch abstattest, tut sich dir bestimmt Weisheit auf, die du dir in die mondänen Gefilde des Lebens mitnehmen kannst.  

Selbstverständlich ist der Grenzgang nicht immer ein freiwilliges Unternehmen. Es mag oft anders erscheinen, aber Lebenskrisen sind die Regel, nicht die Ausnahme. Entsprechend nützlich ist die durch vorhergehende Prüfungen erlangte psychische Widerstandsfähigkeit, in unseren Breiten auch als Resilienz bezeichnet. Jedes Mal, wenn wieder Stress und Rückschläge Hausbesuche machen, weißt du, dass du ähnlich beschissene Umstände schon mal gemeistert hast und auch dieses Mal wieder deichseln wirst, egal, wie schwierig der Ball anzunehmen ist, der dir zugespielt wurde. Lies hier mehr über die wunderbare Comeback-Mentalität der Resilienz.

Seeufer mit Schwan in Infrarot
Die Extremitäten des Seins sind der Rahmen deines Lebens. (Foto: Unsplash/Wolfgang Hasselmann)

Es passiert mir ständig: Ich lasse mich auf etwas ein, dass mir wichtig ist, aber auch eine Prise Risiko birgt. Sei es eine mehrtägige Wanderung, ein Konzert oder ein Sprung von einer 12 Meter hohen Klippe. Mein Kopf macht die Warnblinkanlage an, flüstert mir, dass ich etwas zu verlieren habe. Und mindestens ebenso viel zu gewinnen. Ich trete an, stehe es durch (meistens) und tauche auf der anderen Seite wieder auf – euphorisiert und verwandelt. Noch eine Runde! Das erspielte Selbstvertrauen lässt von da an jede meiner weiteren Bewegungen zweifelsfrei geschehen, für ein paar Stunden oder Tage zumindest.  Solche Momente sind übrigens die Eckpfeiler der wissenschaftlich ergründeten Positiven Psychologie – lies mal nach!

Nun dürfen sich die angespannten Muskeln wieder entspannen, im warmen Infrarot des Ruhepols. Es stellt sich für mich immer mehr heraus, dass die Zeit nach der intensiven UV-Belichtung fast genauso wichtig ist. Zwecks Verarbeitung hauptsächlich, um zu realisieren, was passiert ist, welche Emotionen hervorgerufen wurden. Ich umgebe mich dann mit möglichst wenigen Eindrücken, um meine inneren Wandel zu beobachten. Winter ist die perfekte Zeit dazu. Jede weitere Runde am Jahreskarussel ist wie ein zyklischer Schlagabtausch aus ultraviolettem Abgehen, infrarotem Ausruhen und der resultierenden Annäherung zur grünen Mitte.

Conclusio: Lass dich intensiv UV-bestrahlen, aber nicht zu lange. Dann geh zum Reflektieren in die Infrarot-Kabine.

Paragleiter in einer grünen, hügeligen Landschaft
Durch das Leben zu gleiten, geht selten dauerhaft, die Schwerkraft lässt sich nur schwer ausschalten. Nichtsdestotrotz, ist es erstrebenswert. (Foto: Unsplash/Katerina Kerdi)

4. Die grüne Mitte – Balance

Die grüne Mitte - Überschrift (Foto: Canva/David Splitt)

Grün hat etwas sehr Beruhigendes. Wahrlich liegt es im Farbspektrum genau in der Mitte. Grün symbolisiert Balance (sowie Ausgeglichenheit, Fruchtbarkeit, Frische und Vitalität). Gefühlt ist Balance heute nur noch etwas, das dir Werbung mittels generischer Bilder von glücklichen Frauen mit Sommerhüten verspricht. Ich behaupte, Balance ist für jeden etwas anderes. Und sie zu erlangen, ist oft eine Frage des Ausprobierens. Was funktioniert für dich, was nicht? Wann erschienst du dir bisher am ausgeglichensten und warum?  

Man spricht ja gerne von Work-Life-Balance. Aber idealerweise ist es eigentlich eine Work-Friends-Love-Food-Sex-Travel-Sport-Entertainment-Party-Nature-Me-Time-Sleep-Balance. Alles auf einmal geht einfach nicht. Die Kunst liegt in der Abwechslung, der Moderation (es voraussichtig nicht zu über- oder untertreiben) und der Akzeptanz dessen, dass man nicht alles (gleichzeitig) haben kann. Grün ist die ausgeglichene Kombination aller Farben zum richtigen Zeitpunkt (also nicht in echt, nur in meiner gekrümmten Metapher). 

Der Weg zur grünen Mitte liegt also darin, die Frustration über die Dinge abzulegen, die du gerade nicht haben kannst. Außerdem, es dir anzugewöhnen, der Bauchstimme im Moment zuzuhören. Die weiß nämlich meistens, was du gerade brauchst und was nicht.

Conclusio: Grün schließt alle Farben mit ein, vorausgesetzt du schaffst es, sie harmonisch in Zeit und Raum miteinander zu vereinen. 

Mann, der auf einem Drahtseil über einem Abgrund balanciert
Balance ist wahrlich ein Drahtseilakt. (Foto: Unsplash/Loic Leray)

Ich persönlich habe mich auf dem Weg zur grünen Mitte schon oft genug verirrt, bekomme es langsam aber sicher besser hin. Unsere neue Praktikantin Elena meinte letztens, dass 2023 das chinesische Jahr des Hasen sei und erklärte, dass der Hase für Wohlstand, Langlebigkeit und eine gesunde Work-Life-Balance steht.

“Na dann”, meinte ich nur und malte mir ein gedankliches Bild von meiner Wenigkeit, mit einem Pinsel in der rechten und einer Farbpalette in der linken Hand, abwechselnd auf Staffelei und tropischen Strand schauend, weißer Bart bis zum Boden hängend, ein Bier auf dem Kopf balancierend, zufrieden, ausgeglichen, voller Sand.

Blättere um für einen inneren Monolog über Farben und die Frustration darüber, Erlebnisse noch nicht erlebt zu haben. Vorsicht, kreativer Text!

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